“Ornament im Raum” Openspace im Sommer 2012

playground 012 – Experimentelle Studien zur digitalen Ornamentik

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Video auf Youtube unter URL: www.youtube.com/embed/I49dbWYxAzI?rel=0

 

Im Rahmen der Ausstellung playground 012 präsentiert der Arbeitsbereich Digitale Medien auch in diesem Jahr Werke von Studierenden der Computervisualistik. Gezeigt werden experimentelle Studien im Spannungsfeld von Kunst und Technik, die in mehrtägigen Workshops im Kunst- und Kulturcenter b-05 entwickelt wurden. Geleitet von der spielerischen Auseinandersetzung mit den technischen Möglichkeiten computergenerierter Echtzeit-Graphik orientieren sich die Arbeiten thematisch am Ornament als raumgestaltendem und -strukturierendem Element. Gleichwohl die Wertigkeit des Ornaments wiederholt kontrovers diskutiert wurde (und wird), ist es über die Historie hinweg präsent und in allen Medien und Gegenstandbereichen anzutreffen. Vom Gebrauchsgegenstand zum Schmuck, von der Rhetorik über die Architektur und Kunst bis hin zur digitalen Medienfassade. Dabei ist das Ornament lange schon abgelöst von einer festgeschriebenen Funktion oder Trägerschaft. Die Computergraphik eröffnet indes neue Zugänge zur Grammatik des Ornaments. Die Selbst-Refernzialität des Ornamentalen wird kaum anderswo eindrucksvoller vor Augen geführt als in der Fraktalen Geometrie bspw. der Mandelbrot-Menge oder vergleichbaren Algorithmen. Rekursion, Variation und Permutation werden formalisiert an den Rechner delegiert und Prinzipien digitaler Prozessierung in der graphischen Ausgabe ästhetisch erfahrbar. Bereits die Frühwerke der Computergraphik weisen so neben ihrer Nähe zum Konkreten einem Hang zum Ornamentalen auf. Zentral ist dabei das ästhetisch motivierte Spiel mit den Form-Konstituenten und dem formbestimmenden Regelwerk. Zwischen Zufall und Regel eröffnen sich ästhetische Experimentierfelder, die im Zuge einer immer performanter werdenden Echtzeitberechnung um dynamische und interaktive Momente bereichert werden. Die im Folgenden vorgestellten Etüden entstanden unter Verwendung der Programmiersprache processing im Sommersemester 2012 im Rahmen der Veranstaltung Digitale Ornamentik.

 

Niklas Gard stiftet mit seinem Projekt Vintage Cuts eine Hommage an Werke von Walther Ruttmann, Hans Richter, Man Ray und andere Künstler dieser Zeit. Der avantgardistische Film der 1920er und 30er Jahre hat bis heute nichts von seinem Charme eingebüßt. Vintage Cuts koppelt ein Potpourri historischer Filmzitate an Rhythmen und Melodien moderner Musik und erzeugt durch gesteuerten Zufall in Echtzeit Musikvideos. Spiegelungen, Kaleidoskop-Effekte und abstrakte Bilder verwischen die Grenze zwischen Film und Ornament. Sebastian Stümper lässt in seiner Studie ein Generatives Panorama zeichnen. Auf Grundlage der ’begleitenden‘ Musik erstellt ein Regelwerk zur Laufzeit des Programms ein Panorama, das auf eine einzige Linie reduziert ist. Chantal Neuhaus Arbeit Eiswelt generiert kristallin anmutende Strukturen und deren Transformation über die Zeit. Ausgehend vom Tanz stilisierter Schneeflocken – streng symmetrischen Geometrien in minimalistisch-linearer Darstellung – nimmt die Komplexitätssteigerung ihren Lauf: über mehrfach iterierte Koch-Kurven hin zu aggregierenden grobgranularen Körnern, die aufbrechen, um letztendlich kontrastierend in fluide Organisationsformen zu wechseln. Bild-Linien von Florian Kathe präsentiert ebenfalls eine auf Linien reduzierte Sicht auf die Welt, mit dem Unterschied aber, dass der Repräsentation filmisches Ausgangsmaterial zugrunde liegt. Der abstrahierende Blick lässt den Betrachter die abgebildete Wirklichkeit nur ansatzweise erahnen. Als Grundlage dienen Satellitenbilder und videographische Versatzstücke. Below von Guido Schmidt generiert eine Unterwasserwelt, besiedelt von Quallen ähnelnden Geschöpfen, die auf der Suche nach dem Übergeordneten sind. Below endet im fließenden Übergang zu Above, einer harten, kantigen Welt jenseits der Wasseroberfläche. Zentrales Element von Above ist ein Kubus, der die Quelle des Lichtes ist, nach dem die Unterwasserwesen streben. Während Below durch weiche, organische Formen und fließende Bewegung bestimmt wird, dominieren in Above kontrastierend eckige Geometrien und Rhythmen. Antezedenz von Benedikt Tschörner ist ein interaktiver computergraphischer Film über Wut, Verzweiflung, Hoffnung und die Konsequenzen von Entscheidungen. Der Betrachter interagiert mit der Protagonistin und führt damit die abstrakt gehaltene Narration weiter, in die er sich zunehmend verstrickt. Überlagert wird die minimalistische Animation von dynamischen, echtzeitgenerierten Effekten. Die generische Ornamentierung der Animation ist in klaren Farben gehalten; auf die Szenen abgestimmte Musik unterstützt die treibende Atmosphäre. Die Darstellung des Zusammenspiels von Anziehungs- und Abstoßungskräften ist Gegenstand von Dennis Ermtrauds Arbeit Kraftfeld, einer Komposition unterschiedlich parametrisierter, physikalischer Simulationen, die durch Musik und den Betrachter beeinflusst werden. Dieser kann durch seine Bewegung im Raum in die Simulation des Kraftfeldes einzugreifen und so das vage vordefinierte Spiel stören. Als Ausgangsmaterial der Studie Geometrisierte Natur dienen Nils Lichtenberg fotografische Bilder. An ihnen orientieren sich die bewegten Muster, die sich aus einfachen geometrischen Strukturen aufbauen und im Laufe der Zeit zu komplexen dreidimensionale Welten heranwachsen. Philipp Geitz-Mansteins Demonstration Seifenoper zeigt, wie sich amorphe blasenförmige Gebilde verschlingen, gegenseitig verformen und dabei ihr äußeres Erscheinungsbild permanent verändern. Begleitet wird Choreographie von einer wechselnden Oberflächenzeichnung: Changierend zwischen dem geschmeidigen, opaken bisweilen saturierenden Oberflächeneindruck einer Seifenblase und einer konstruktiv-abstrakten 3D Wireframe-Optik der zugrundeliegenden geometrischen Konstruktion. Frei interpretierend greift Andreas Meyer mit seiner Arbeit Windows einen Klassiker der Ornamentik auf, das gotische Maßwerk. Im Zentrum steht ein generisch erzeugtes Fenster, inspiriert durch die geometrisch begründete Formensprache gotischer Architektur. Durch Musik und globale Farbwechsel im Ausstellungsraum wird das Fenster zum Leben erweckt. Structured Lines ist eine Animation von Emil Wasilewski mit festgelegtem Ablauf zu einem ausgewählten Musikstück. Die Etüde ist in viele kurze bis mittellange Szenen gegliedert, in denen zufällig parametrisierte Linien die Bildfläche in grob festgelegte Muster aufteilen. Durch eine immer höhere Komplexität der Strukturen wird ein dramaturgischer Bogen aufgespannt, der in einem musikalischen wie auch optischen Höhepunkt sein Ende findet. Mit Zellenhaufen inszeniert Emil Wasilewski einen mikroskopischen Blick auf einen vermeintlich lebendigen Zellenkomplex. Zuschauer können durch Bewegungen und Lichtpunkte mit den Zellen interagieren. Dabei werden lokale und globale Modifikationen vom Programm zufällig gewählt und abhängig von den Eingabereizen auf das Zellengebilde angewendet. In Sontje Ihlers Studie Particles bevölkern Punktwolken abstrakte filmische Bilder. Die Arbeit setzt sich mit Organismen, artifiziellen Organisationseinheiten und deren Strukturähnlichkeit auseinander. Kleinste Bausteine fusionieren, um Größeres zu schaffen. Entropisch rauschende Partikel organisieren sich und bilden die Rahmung für fließende Farbfelder. Dabei richten sich die Partikel nach Gradientenkarten, die Farbfelder nach Segmentbildern. Dies ermöglicht den Grad der Abstraktion so fein zu variieren, dass die Bildinhalte nur noch schemenhaft zu erahnen sind und einem assoziativen Spiel verhaftet bleiben. Virtual Surface von Daniela Dudai entfaltet eine farbige Tesselierung auf der großformatigen Projektionsfläche. Durch die musikalisch beeinflusste Auffaltung von Dreiecken wird eine bunte Fläche erzeugt, die durch perspektivische Verzerrungen der Dreiecke dreidimensional erscheint. Überlagert wird die Tesselierung von Dynamiken, die sich wellenartig über die Struktur legen. Das Ende wird durch eine Invertierung des Prozesses eingeleitet und läuft fort, bis sich die Struktur vollständig zurückgebildet hat. In der Animation Risse sprengt Daniela Dudai im wahrsten Sinne den Rahmen. Die Mauern der ehemaligen Bunkerwände altern. Massive Risse bahnen sich ihren Weg durch den Beton. In den entstehenden Zwischenräumen zeichnet sich ein abstraktes Rauschen ab, das zunehmend ein Eigenleben entwickelt.

playground 012 wird kuratiert von Dr. Markus Lohoff. Besonderer Dank gilt b-05 für die freundlichen Bemühungen rund um die Workshops und die Ausstellung, ebenso Neuland für die organisatorische Unterstützung und kontextuelle Einbettung der Vernissage in das atmosphärische GrandeMassife Event.

 


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