Skip to content

Tafel-Dekorationen.
Speisegestaltung und Repräsentation

Tafel-Dekorationen Nische

Das geheime Wirken der Dinge. Esskulturen – eine forschende Ausstellung
Blick in die Nische „Tafel-Dekorationen“, Landesmuseum Koblenz, Oktober 2020

Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Sammlung Poignard im Landesmuseum Koblenz, Foto: Ulrich Pfeuffer, GDKE

Allgemein bezeichnen wir als Tischdekoration Gegenstände, die zur materiellen wie atmosphärischen Rahmung der Nahrungsaufnahme dienen.

Dem Etymologischen Wörterbuch des Deutschen zufolge ist dekorieren aus lateinisch decorare „zieren, schmücken, verherrlichen“ entlehnt. Unter Einfluss des gleichbedeutenden französischen décorer hat das Wort seit dem 18. Jahrhundert auch im deutschen Sprachraum zunehmend Verwendung gefunden.

Speisezimmer und Esstische können auf vielfältige Weise dekoriert werden. Wertvolles Geschirr, formschöne Gläser, Kristallgefäße, Blumenschmuck und Menü- und Tischkarten kennzeichnen Art und Charakter des Mahls.

Blütenschmuck

Vase mit Applikationen

Vase mit Applikationen, 1. Hälfte 20. Jahrhundert, italienisch, Milchglas, polychrom gefasst, Höhe 23 cm
Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Sammlung Poignard im Landesmuseum Koblenz, Foto: Ulrich Pfeuffer, GDKE

Illustrierter Katalog Pariser Ausstellung

Illustrierter Katalog der Pariser Industrie-Ausstellung von 1867
(Detail von S. 43), Leipzig 1868

Foto: Britta Stein

Barock und Rokoko sind Blütezeiten der Tafeldekoration. Prunkvolle Tafelaufsätze aus wertvollen Materialien sind wichtige Elemente der Repräsentation. Im bürgerlichen Rahmen finden zumeist weniger kostspielige Dekorelemente Verwendung: Tischdeckchen, Etageren, Untersetzer, Kerzenhalter und vor allem Blumengestecke. Florale Elemente zieren als unvergänglicher Dekor Gläser, Pokale, Kannen, Schalen und Tafelservice.

Die goldfarbige Vase ist wie ein Kelch geformt. Die hervorgehobene Blütendarstellung findet sich in ähnlicher Form auch auf Essgeschirr aus dem 19. Jahrhundert.

Die moderne Tafel

Zitat

The people who enter a modern dining-room find a picture before them, which is the result of painstaking thought, taste, and experience, and, like all works of art, worthy of study. […]

The open-work, white tablecloth lies on a red ground […]. Above this stands a large silver salver or oblong tray […].

In the middle of this long tray stands a lofty vase of silver or crystal, with flowers and fruit cunningly disposed in it, and around it are placed tropical vines. At each of the four corners of the table stand four ruby glass flagons set in gold, standards of beautiful and rare designs.

aus: Mary Elizabeth Wilson Sherwood, Manners and Social Usages, New and Enlarged Edition, Revised by the Author, New York, 1887 [1884], 266.

The Modern Dinner-Table

Illustration aus: Manners and Social Usages
Courtesy of Library of Congress

Dekorative Speisen

Dekorative Speisen

Zum Weihnachtsessen bei den Großeltern wird der Tisch anders gedeckt als zum studentischen Frühstück in der Wohngemeinschaft – und das nicht nur, weil unterschiedliche Dinge gegessen und getrunken werden.

Im Dekor zeigt sich, wofür und für wen der Tisch gedeckt worden ist. Die Gegenstände sprechen zu uns: Sie deuten an, welche Art von Essen uns bevorsteht und welche Tischgemeinschaft wir erwarten können.

Tischdekorationen bilden die Grundlage für die jeweilige Atmosphäre, in der man gemeinsam isst. Sie verraten viel über unseren Lebensstil. Designer-Besteck, Fair-Trade-Becher, Kerzenbeleuchtung, Blumengestecke oder Verpackungen vom Lieferservice sind immer auch Botschaften an unsere Gäste.

Paprika garniert mit Feta-Würfeln, Gedeckter Tisch bei einem Essen mit Jugendlichen im Rahmen des Teilprojekts „Urbane Esskulturen“
Foto: Mila Brill.

Stillleben

Stillleben

Jacob Foppens van Es (ca. 1596-1666), Stillleben
Öl auf Leinwand, 42 x 56 cm
Mittelrhein Museum Koblenz
Foto©2020: Mittelrhein Museum Koblenz

Stillleben: das benennt gleichermaßen das, was dargestellt ist, wie auch das Bildgenre, das diese Art der Darstellung kultiviert hat. Der Begriff selbst hat verschiedene kreative Deutungen erfahren (…); etwa die Verknüpfung von „stillem Leben“ und Todeseingedenken, die auch im romanischen Sprachgebrauch (natura morte) anklingt, oder die semantische Überblendung von „Stil“ und „Leben“ (…). Tatsächlich war das Wort stilleven in den Niederlanden schon um 1650 zur Bezeichnung eines bestimmten Bildtypus in Gebrauch. Bezeugt ist auch die Wendung naar het leven, „nach dem Leben“, also die Wiedergabe eines real präsenten Modells (…), während das Präfix „still“ die Bewegungslosigkeit des gemalten Objekts und somit den Unterschied zur körperlichen und seelischen Bewegtheit szenischer Darstellungen betont. Die dekorative und optisch angemessene Darstellung von Gegenständlichkeit und Materialität gewinnt aber in der Betrachtung ein irritierendes Eigenleben. Die vermeintlich tote Natur entwickelt eine physikalische Dynamik (…), die Gravitation macht dabei ihre Rechte geltend, viele Stillleben spielen mit der Katastrophe.

aus: Heinz Georg Held, Das stille Leben nach dem Leben. Zur Kunst-Sprache des Tafeldekors, Bulletin Esskulturen, Mappe V, Tafel-Dekorationen, Faszikel 28.

           Tafelaufsatz

Tafelaufsatz Sabine Selmke

Sabine Selmke, Micha Bartsch, Thomas Bartsch, Verena Schätzlein, Tafelaufsatz, 2008, Assemblage, Höhe 180 cm
Foto: Bernd Kuhnert.

Der Tafelaufsatz von Sabine Selmke paraphrasiert lustvoll die historischen Vorbilder der Pièces Montées und spielt gleichzeitig auf heutige Hochzeitsgebräuche an. Augenzwinkernd und mit freundlicher Ironie zitiert sie deren süßliche Ikonographie, die ihrerseits tief in barocken Bildwelten wurzelt. Granatäpfel, sich küssende Schwäne, das Füllhorn: objektgewordene Glücksversprechen. (….) Die Etagen sind mit Nippes und Geschenkkitsch belegt. Die sahnigen rokokohaften Farben – das kühle Weiß, das matte Hellviolett-Rosé – wirken distinguiert und erinnern an feine Konditorenkunst. Die 1,80 hohe, mehrstöckige Torte ist das Gemeinschaftswerk mehrerer Akteure.

aus: Barbara Weyandt, „Nur Verschwendung bringt Prestige …“ – Tafelaufsätze zwischen Luxus und sozialem Sinn, Bulletin Esskulturen, Mappe V, Tafel-Dekorationen, Faszikel 26.

Vergängliche Tafelfreuden