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Verbundprojekt „Esskulturen“

Im Rahmen der Förderlinie „Sprache der Objekte“ finanzierte das Bundesministerium für Bildung und Forschung vom 1.9.2018 bis zum 30.11.21 das Verbundprojekt „Esskulturen. Objekte, Praktiken, Semantiken“.

Anhand von und im Dialog mit Objekten der „Stiftung Bürgerliche Wohnkultur, Sammlung Alex Poignard“ wurde die bürgerliche Tischkultur insbesondere  des 19. und 20. Jahrhunderts dokumentiert. Transversale Fragestellungen zur Inklusion-Exklusion, zur Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie zur Normierung von Körper- und Ernährungspraktiken standen zur Diskussion, um neue Sichtweisen auf einzelne Segmente der Migrations-, Integrations-, Gender- und Intersektionalitätsforschung zu erproben.


Verbundpartner:
Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz,
Landesmuseum Koblenz, Sammlung Poignard
Universität Koblenz-Landau, Institute für Anglistik/ Amerikanistik,
Evangelische Theologie, Kulturwissenschaft (Ethnologie)
Rheinische Friedrich-Wilhelms Universität Bonn,
Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie

Verbundsprecherin:
Prof. Dr. Michaela Bauks | Evangelische Theologie, Campus Koblenz
Wissenschaftliche Koordination: Dr. Marion Steinicke | Campus Koblenz
DLR Projektträger des BMBF:
Dr. Kerstin Lutteropp, Dr. Christoph Wertz | Bonn

Teilprojekte I und II

Repräsentative Tischkulturen des 19. und 20. Jahrhunderts
Landesmuseum Koblenz, Sammlung Poignard

Mit der Sammlung des 2017 gestorbenen Belgiers Alexandre Poignard widmet sich das Museum unterschiedlichen Alltagsgegenständen der bürgerlichen Wohn- und Esskultur. Zum Bestand gehören mehr als fünfzigtausend Objekte aus der Zeit zwischen 1830 und 1970.
Zur Erschließung der ehemaligen Privatsammlung wird eine umfassende Bestandsaufnahme vorgenommen, bei der jedes einzelne Objekt gesichtet, gemessen, in Material, Form und Funktion beschrieben und mit einer Inventarnummer versehen wird. Die Erfassung und Ordnung dient einer künftigen Nutzung der Objekte zu Ausstellungs- und Forschungszwecken.


Urbane Esskulturen und integrative Praktiken
Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Universität Bonn
Prof. Dr. Clemens Albrecht und Mila Brill

Gemeinsame Mahlzeiten gehören seit jeher zum Gastrecht. Über Speisen kann man den Zugang zu anderen Kulturen finden. Essen trennt Menschen aber auch. Was die einen gern verspeisen, verabscheuen die anderen, und mit einigen möchte man nicht an einem Tisch sitzen. Das soziologische Teilprojekt untersucht Esskulturen im städtischen Raum und fragt nach deren Vermittlungspotential zwischen migrantischen Gruppen und einheimischer Bevölkerung.
In einer empirischen Lokalstudie in dem durch heterogene Migration geprägten Stadtteil Bad Godesberg untersucht die Doktorandin Mila Brill, wer im öffentlichen Essraum wo isst – und wo nicht. Dazu wird ein „Stadtplan der Esskulturen“ erarbeitet, in dem die lokale Gastronomie unterschiedlicher Herkunft sichtbar wird. Einen besonderen Schwerpunkt bildet das Verhältnis zwischen migrationsbedingter kulinarischer Vielfalt und einer global vereinheitlichten fast-food-Kultur.

Teilprojekte III und IV

Traditionelle Mahlsymbolik und selektive Praktiken in literarischer Perspektive
Institute für Evangelische Theologie (Bibelwissenschaft) und Anglistik und Amerikanistik (Cultural Studies)
Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz
Prof. Dr. Michaela Bauks, Prof. Dr. Nicole Maruo-Schröder und Maria Mothes

Esspraktiken spiegeln die Gesellschaft wieder, in denen sie stattfinden. An der Schnittstelle von Religionsgeschichte und Literaturwissenschaft untersucht das Forschungsprojekt vor allem Aspekte der englischsprachigen Welt des 19. und 20. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung (para-)religiöser Motive und Einflüsse.
Es geht um unterschiedliche Essgewohnheiten, Esssituationen und rituelle Handlungen sowie um den kulturell-sozial normierenden Einfluss von Esskulturen auf die Beziehung zwischen den Menschen. Dabei wird deutlich, wie das gesellschaftliche Zusammenleben nachhaltig durch die symbolischen Bedeutungen von Nahrung und Nahrungsaufnahme bestimmt ist. Die Dissertation von Maria Mothes beschäftigt sich mit der Verhandlung von Identität und der Darstellung von Spiritualität in zeitgenössischer muslimisch-amerikanischer Literatur.


Filmische Forschung: Elitäre Esskulturen
Institut für Kulturwissenschaft, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz
Prof. Dr. Andreas Ackermann und Tanita Burda

Essen schafft Identität. Das ethnologische Teilprojekt richtet seine Aufmerksamkeit auf Esskulturen, die von einem elitären (Selbst-)Verständnis geprägt sind und entsprechende soziale Ein- und Ausgrenzungen vollziehen. Im Rahmen filmischer Forschung produzierten Studierende dokumentarische Videos, die unterschiedliche Aspekte von Esskulturen thematisierten.
Die Promotion von Tanita Burda beschäftigt sich mit einer besonderen Esssituation: dem Bruststillen. Mit der Geburt eines Kindes steht die Entscheidung an, ob das Kind gestillt wird oder nicht – mit weitreichenden Folgen für Rollenbilder, Zuständigkeiten und Zeitstrukturen des alltäglichen Lebens. Teilnehmende Beobachtung, Internetdiskurse und umfassende Literatur- und Bildrecherchen bilden den methodischen Ausgangspunkt dieser Studie zum Thema Stillen (im öffentlichen Raum).

Aktivitäten des Verbundprojekts

Das Verbundprojekt realisierte während seiner Förderzeit zahlreiche Vortragsreihen, Workshops und Lesungen. Es kooperierte mit kulturellen Einrichtungen wie dem Ludwig Museum Koblenz, der Stadtbibliothek und dem Institute for Social and Sustainable Oikonomics.

Im Rahmen des Koblenzer Filmfestivals 2Rivers Documentary Cinema 2020 hat das Verbundprojekt einen studentischen Wettbewerb zum Thema „Esskulturen“ ausgerichtet. Als Juror fungierte der ehemalige Kurator des Kulinarischen Kinos der Berlinale, Thomas Struck.

Vom 25. September 2020 bis zum 29. August 2021 präsentierte das Projekt unter dem Titel „Das geheime Wirken der Dinge. Esskulturen – eine forschende Ausstellung“ auf der Festung Ehrenbreitstein anhand von ausgewählten Objekten der Sammlung Alex Poignard Ergebnisse seiner Arbeit einer breiten Öffentlichkeit.

Das Bulletin Esskulturen erschien von Dezember 2018 bis Oktober 2020 in insgesamt sieben Ausgaben. Die Hefte umfassen jeweils sieben Beiträge zu esskulturellen Schwerpunktthemen. Sie sind im Anschluss an die print-Auflagen auch open access publiziert worden.

Auf der Grundlage von Texten und Bildern aus der forschenden Ausstellung, dem Bulletin Esskulturen und weiteren im Rahmen des Verbundprojekts erarbeiteten Materialien (Filmaufnahmen, Tonaufzeichnungen u.a.m.) ist die vorliegende virtuelle Ausstellung entstanden. Wir hoffen, dass Ihnen der Besuch Freude bereiten wird.