Wir verbringen kaum eine längere Zeit in einer Institution als in der Schule. Über viele Jahre hinweg lernen wir, Wörter zu lesen, Sätze zu schreiben und Zahlen miteinander zu verbinden. Wir schwimmen im Fluss des Lehrplans mit und legen damit – meist ohne wesentliche eigene Entscheidungen zu treffen – den ersten Grundstein für unser beruflichen Lebens.

Und plötzlich wirst du gefragt, was du aus deinem Leben machen möchtest, wo es dich hintreibt, und was deine innere Sehnsucht ist.

Nachdem das – gefühlt bedeutende – Kapitel der Schullaufbahn beendet ist, gilt es dann von heute auf Morgen auch genau das umzusetzen: deine eigenen Wünsche, deine eigenen Lebensvorstellungen und deine eigenen Sehnsüchte – auf einmal sind sie entscheidend!

Die persönliche Entwicklung schreitet voran, und du lernst die Welt kennen. Auf einmal hast du die Möglichkeit, nicht mehr nur einem vorformulierten Plan zu folgen, sondern dich in deiner Gestaltungsfreiheit zu üben. Es stehen dir alle Möglichkeiten und Freiheiten offen, du musst sie nur erkennen und spüren, zu welcher Tür es dich zieht und welche du durchschreiten möchtest.

Genau diese Schwelle – raus aus dem betreuten Rahmen der Schule, rein in die Selbstständigkeit – ist für die meisten Menschen ungewohnt. Es ist wohl das erste Mal, dass sich die Möglichkeit und auch die Verantwortung ergibt, sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen und nachhaltige Entscheidungen zu treffen.

Dieser neue Lebensabschnitt jenseits von Schule, Vertrautheit und Gewohnheit kann jedoch auch emotional vieles auslösen. Du spürst, dass es dich in die Ferne zieht, du gerne die Welt entdecken möchtest oder du dein Glück aus eigener Kraft und mit eigenen Ideen verfolgen möchtest.
Deine alte Welt scheint dir nicht mehr zu genügen. Du denkst, Du hast genug aus der Zeit gelernt, um neue Wege einzuschlagen und deiner Sehnsucht Raum zu geben und deinem Entdeckergeist freie Fahrt zu lassen. Du spürst ein Gefühl der seelischen Beklemmung, dass du zunächst nicht richtig verorten oder ursächlich erklären kannst.
Dieses Gefühl wird in der russischen Sprache mit dem Wort „Toská“ beschrieben. In einen engeren Zusammenhang kann es mit dem Gefühl von Sehnsucht gebracht werden, es geht allerdings tiefer. Es ist ein Gefühl seelischer Beklemmung – ohne greifbaren Grund.
Die Welt – deine Welt – scheint dir nicht mehr genug zu sein, sie scheint dich vor Freiheit und Offenheit zu schützen, zugleich aber auch davon abzuschotten. Doch wie lässt sich dieses beklemmende Gefühl loswerden oder sogar positiv nutzen?
Mein Tipp: Erkenne die Chance und die Triebkraft dieser Emotion. Sie zeigt dir, dass du dich nach etwas anderem, etwas Neuem sehnst, und dass etwas in Dir bereit ist, neue Ufer zu entdecken. Das muss nicht immer einen grundlegenden Bruch mit der bisherigen Lebensgestaltung bedeuten, oftmals brauchen wir einfach neue Perspektiven und neuen Input, um wachsen zu können.

Neue Impulse für persönliches Wachstum und für die Förderung unserer individuellen Kompetenzen und Talente bietet in vielen Fällen die Aufnahme eines Studiums. Du lernst neue spannende Menschen kennen, tauchst vielleicht in eine neue Stadt ein, richtest dein erstes eigenes Zuhause ein oder begibst dich auf teilweise fremde fachliche Territorien. In jedem Fall gibst du dir Raum, dich zu entwickeln, zu lernen und vor allem, deiner inneren Sehnsucht nachzugehen. Du erkennst neue Perspektiven in deinem Umfeld – und in dir selbst.

Das Gefühl innerer Beklemmung kann also auch ein Sprungbrett für mutige Entscheidungen sein. Nutzt du die Kraft der Sehnsucht, lernst du dich und deine Wünsche besser kennen und lässt ein Stück mehr der Welt in dich hinein. Ein Gefühl der Befreiung, des Vertrauens und der inneren Stärke. Sehnsucht muss sich nicht immer beklemmend und negativ anfühlen, sie kann auch bereichernd und befreiend sein – man muss es nur wagen, neue Wege zu gehen.

PS. Und solltest du mal das Gefühl haben, eine falsche Abbiegung genommen zu haben, ist das auch nicht so schlimm… Wenn du z.B. Zweifel an Deiner Entscheidung für dein Studium (Wahl des Fachs oder generell) hast, kannst du dich im KSB an NeuStArt wenden. Dort findest du offene Ansprechpartnerinnen, die mit dir Alternativen abwägen und mit dir – wenn du magst – erste Schritte für einen Richtungswechsel abstecken. Jedenfalls kannst Du sicher sein: Mit einer positiven Einstellung nimmst du jede Menge Erfahrungen mit in die nächste Reiseetappe!

von Paula Dresler

Toská – Enge oder Weite?

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