Walter Hayduk und Silke Pies führen ein normales Leben in der geborgenen Stimmung ihrer Familien in Koblenz. Doch jeden Tag, wenn hinter ihnen das Schloss zufällt, lassen sie dieses Leben hinter sich und stellen sich der alltäglichen Herausforderung der JVA Koblenz. Das Fest der Liebe nicht im Kreise seiner Lieben zu verbringen, ist nach zusammengezählt über 42 Jahren Berufserfahrung noch immer keine Routine für Hayduk und Pies. Mit den Jahren haben beide gelernt abzuschalten und nichts vom rauen Alltag der JVA mit nach Hause zu nehmen.
Die JVA Koblenz
Die JVA Koblenz bietet Platz für maximal 199 Gefangene. Sie liegt im Koblenzer Stadtteil Karthause und war von 1936 bis 1945 eine Kaserne. Die JVA ist überwiegend für Untersuchungshäftlinge zuständig. Dies bedeutet, dass Gefangene meist nur für eine vergleichsweise kurze Dauer vor Ort bleiben. Bei einem Gerichtsurteil mit Freiheitsstrafe werden die Gefangenen in andere Einrichtungen überführt.
Walter Hayduk – Leiter des Vollzugdienstes
Arbeiten über die Weihnachtsfeiertage? Für Walter Hayduk keine neue Situation, aber dennoch nicht Routine. Als Leiter des Vollzugsdienstes der JVA Koblenz, wo er schon seit über 30 Jahren arbeitet, kennt er die besonderen Umstände, die dieser Beruf mit sich bringt, bestens. Walter Hayduk über den Umgang mit Belastung und Gefangenen.
Über Umwege ins Gefängnis
Aber was hat ihn überhaupt dazu bewogen, sich für den Beruf des Justizvollzugsbeamten zu entscheiden? „Allen voran war es die Arbeit mit den Menschen“ so Hayduk, vor allem mit Menschen, die einen Fehler begangen haben oder deren Leben aufgrund diverser Gründe aus den Fugen geraten ist. Doch nicht von Beginn an war für den Koblenzer klar, dass er in einer Justizvollzuganstalt arbeiten möchte. 1974 begann er zunächst eine Ausbildung zum Bäcker, ehe er sich 1978 für acht Jahre der Bundeswehr verpflichtet hat. Erst 1988 entschied er sich schließlich dazu, den Job in der JVA Koblenz anzunehmen, wo er bis heute arbeitet.
Emotionale Belastung hoch
Zwar übt er die Arbeit und den Umgang mit den Gefangenen bis heute gerne aus, dennoch bringt dieser Beruf auch eine besondere emotionale Belastung mit sich. Hayduk hat sich im Laufe der Zeit bestimmte Hilfsmechanismen angeeignet, um mit der emotionalen Komponente des Berufs besser klar zu kommen.
„Es ist wichtig, emotional bei der Sache zu bleiben“
In diesem Beruf ist es wichtig, keine starke emotionale Bindung zu den Gefangenen aufzubauen und zu Hause abschalten zu können. Da nicht alle für diesen Beruf geeignet sind, gibt es im Vorfeld bestimmte Auswahlverfahren, die neben der fachlichen Eignung auch testen, ob jemand der emotionalen Belastung gewachsen ist. Außerdem gibt es für die Bediensteten in der JVA Hilfsangebote, beispielsweise in Form eines Seelsorgers, die sie in Anspruch nehmen können. „Bisher hatte ich dahingehend aber noch keinen Bedarf“ gibt Hayduk Entwarnung.
Er ist der Meinung, dass auch kollegiale Gesprächspartner eine große Hilfestellung sein können. Trotz dieser Auswahlverfahren, sowie der Hilfsangebote kommt es immer wieder vor, dass Personen nach ein bis zwei Monaten erkennen, dass sie den Beruf nicht länger ausüben möchten.
„Es ist daher wichtig, sich frühzeitig zu fragen, ob man sich den Anforderungen des Berufbilds langfristig stellen kann und möchte“
Die besonderen Arbeitszeiten in diesem Beruf, zum Beispiel der Wochenend- oder Feiertagsdienst, müssen ebenfalls berücksichtigt werden, wenn man sich für diesen Job entscheidet. Die Arbeitszeiten an Weihnachten und Neujahr sind denen des restlichen Jahres angepasst. Es gibt an diesen Feiertagen also keine besonderen oder gar verkürzte Arbeitszeiten. Jedoch ist, genauso wie an den Wochenenden, der Personalbestand reduziert, weshalb auch keine Gefangenenbesuche an Wochenenden oder Feiertagen möglich sind. Der Kontrollaufwand wäre laut Hayduk hierfür schlichtweg zu groß.
An den Weihnachtsfeiertagen oder dem Jahreswechsel nicht immer im Kreise seiner Liebsten sein zu können ist zwar nicht schön, dennoch ist Hayduk bereit, dies für seinen Beruf in Kauf zu nehmen. Schließlich bringt jeder Beruf seine Vor- und Nachteile mit sich.
Silke Pies – Der Spagat zwischen Festlichkeit und Sicherheit
Das Fest der Liebe birgt in der JVA einige Sicherheitsrisiken für alle Beteiligten – aus diesem Grund müssen besondere Vorkehrungen bei den speziellen Freizeitangeboten für die Gefangenen während der Weihnachtszeit getroffen werden. Silke Pies, die seit 2006 in der JVA arbeitet ist für die sozialen Angelegenheiten der Gefangenen zuständig.
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Das Leben der Gefangenen spielt sich auf einmal nur noch auf wenigen Quadratmetern ab.
Auf ihre jetzige Arbeitsstelle ist Pies nur zufällig gestoßen. Nach einem Studium der sozialen Arbeit und einem Diplom in Pädagogik wurde Pies durch eine Bekannte auf eine freie Stelle in der JVA aufmerksam.
„Ich muss mich um viele Angelegenheit für die Gefangenen kümmern, da sie meist vollkommen ungeplant aus ihrem Leben geworfen werden.“
Pies unterstützt die Gefangenen bei der Klärung von grundlegenden Dingen wie Wohnungssuche, Kinderbetreuung, Geldproblemen usw… „Man unterschätzt, wie viel das immer ist.“ Die Sprachbarriere ist ein weiteres Hindernis, 38% der Gefangenen sind ausländischer Herkunft und können sich nicht gut auf Deutsch verständigen. „Wir haben hier momentan auch keine permanente Übersetzungshilfe“ erklärt Frau Pies.
Die graue Alltagsroutine kennt jeder Mitarbeiter, aber am 24. Dezember darf der Tagesablauf anders gestaltet werden. Der Sozialdienst der JVA Koblenz organisiert jedes Jahr eine Weihnachtsfeier, inklusive Gesprächskreisen und Gottesdienst. Zusätzlich können die Gefangenen Weihnachtskarten für ihre Angehörigen basteln, allerdings aus Sicherheitsgründen nur mit abgezählten Kinderbastelscheren, damit das Risiko einer weiteren Straftat in der JVA so gut es geht minimiert wird. Aufgrund eines hohen Kontrollaufwands dürfen die Gefangenen leider keine Geschenke ihrer Angehörigen annehmen. Der Bearbeitungsaufwand jedes einzelne Paket, auch außerhalb der Weihnachtszeit zu kontrollieren, wäre für die JVA Koblenz ingesamt zu hoch. Dazu kommen auch noch sicherheitsrelevante Gründe wie etwa Drogenschmuggel. Manche Drogen, beispielsweise Liquid Ectasy könnten leicht eingeschmuggelt werden.
Bei einem großen Anteil von Leuten mit unterschiedlichem Migrationshintergrund kommt natürlich die Frage auf, ob andere religiöse Feiertage mitgefeiert werden sollen.
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Die JVA besitzt ein kleine Kapelle, in der jedes Wochenende Gottesdienste stattfinden
Die JVA legt viel Wert auf die Auslebung der Religionsfreiheit und gibt jedem Gefangenen das Recht, seine Religion auszuüben. Die Sozialarbeiter der JVA haben ein offenes Ohr für religiöse Bedürfnisse und bieten Alternativen beispielsweise bei dem Verzicht auf Rind- oder Schweinefleisch an. Darüber hinaus können Gebetszeiten und Gebetsteppiche von den Gefangenen in Anspruch genommen werden. Die Ausübung der eigenen Religion hat bei manchen Gefangenen den positiven Nebeneffekt, dass sie ihnen Halt bietet und die neue Lebenssituation somit leichter zu akzeptieren ist. Kleinste Aktionen, wie etwa das Basteln der Weihnachtskarten oder die Auslebung der eigenen Religion sind Farbtupfer im grauen Gefängnisalltag.
Von Alexandra Hayden Bell, Lukas Heinemann und Tim Hammer