Waldmohr. Eine Stadt, wo das kulturelle Leben versiegt. Ist eine Rettung noch möglich? Gemeinsam mit engagierten Bürgern und einem Experten versucht die Stadt seinen Gemeinschaftssinn wiederzufinden und kulturell aufzublühen. Wird es gelingen?
Kurzbiografie
Eckhard Braun wurde 1959 in München geboren und absolvierte sein Rechtswissenschaftsstudium in München und Trier.
Nach seinem abgeschlossenen Studium war er für einige Jahre als Geschäftsführer, Kulturmanager und künstlerischer Leiter tätig. In diesen Positionen betreute er vor allem kulturelle Festivals wie z.B. die Kassler Musiktage, Arolser Barockfestspiele und auch den Kultursommer in Nordhessen. Zudem war er viele Jahre als Kulturdezernent in Leipzig angestellt. Er übernahm in dieser Position unter anderem die (Um-) Gestaltung der kulturellen Infrastruktur der Stadt.
Seit 2000 lehrt er als freier Dozent an verschiedenen Universitäten in Deutschland. Sein Fokus liegt auf dem Themengebiet des Kultur- und Medienrecht, Changemanagement im Kulturbereich und dem Kulturmanagement. Nicht verwunderlich, dass seine Promotion über „Prinzipien staatlicher Kunstförderung in Deutschland“ war. Bereits seit 2015 hat er einen andauernden Lehrauftrag an der Universität Koblenz (ehemals Universität Koblenz-Landau).

Umbruch in Waldmohr
Leere, verlassene Straßen. Menschen, die ohne sich zu begrüßen, einfach aneinander vorbeigehen. Eine Stille, die nicht gebrochen wird. Menschen, die nur nebeneinander her leben. Kinder, die nicht gemeinsam spielen. Eine Stadt, bei der das Wir-Gefühl fehlt.
Telefonmitschnitt
Der Kulturbürgermeister Werner Braun stellte fest, dass es so in seiner Stadt nicht weitergehen kann. Das Kulturprogramm, welches zuvor aus Katalogen zusammengestellt wurde, fand keinen Anklang. Die Bürger hatten das Gefühl, dass diese standardisierten Kulturprogramme nicht zu ihnen passten. Aus diesem Grund hat Werner Braun nach einem neuen, individuellerem Weg gesucht, seine Stadt zusammenzuführen.
Auf der Suche nach neuen Wegen für Waldmohr entdeckte der Kulturbürgermeister den Verein Kulturnetz Pfalz. Dieser ist darauf spezialisiert, Kultur in ländlichen Regionen zu fördern. Der 2018 gegründete Verein arbeitet vor allem an der Intensivierung der kulturellen Teilhabe in den Gemeinden. Dies wird durch die Begleitung von Experten am Projekt erreicht. Aufgrund des Kontakts mit dem Verein wurde der Kulturbürgermeister mit Eckhard Braun zusammengeführt. Dieser prüfte, ob Waldmohr ein geeigneter Standort für ein Kulturprogramm wäre.

Waldmohr
Waldmohr liegt am westlichen Rand der Pfalz, an der saarländischen Grenze bei Homburg. Der Ort entwickelte sich entlang der Glan, der am benachbarten Höcherberg entspringt. In Waldmohr leben rund 5211 Einwohner (31.12.2021) auf einer Gesamtfläche von 1.303 ha. Wobei davon rund 40,2 Prozent der Fläche mit Wald bewachsen sind. Waldmohr gehört zum Landkreis Kusel und ist eine der drei Verwaltungssitze der Verbandsgemeinde Oberes Glantal.
Am 14.12.2020 wurde Waldmohr eine eigenständige Stadt, die 130. in Rheinland-Pfalz. Der damalige Innenminister Roger Lewentz überreichte die Urkunde. Nachdem er zuvor dem Antrag auf Verleihung der Stadtrechte zugestimmt hat.
Bereits seit den 1960er Jahren gibt es ein großes Gewerbegebiet in Waldmohr. Bis heute haben sich rund 370 Unternehmen angesiedelt, die gemeinsam ca. 2500 Beschäftigungsstellen schaffen. Neben den zahlreichen Arbeitsplätzen sind auch alle Einrichtungen für den täglichen Bedarf vorhanden. Supermärkte, Arztpraxen, Kindertagesstätten und Schulen bieten einen Reiz für viele.
Aus diesem Grund ist die Nachfrage an Bauplätzen in Waldmohr sehr hoch. Neue Wohngebiete entstehen unter dem Slogan: “Nachhaltiges Wohnen im Einklang mit Natur und Umwelt”.
Der Startschuss
Die gesellschaftlichen Transformationsprozesse, welche momentan in der Gesellschaft stattfinden, sind spürbar. In der Großstadt und vor allem in ländlichen Gebieten. Globalisierung, Digitalisierung, Klimawandel, demographischer Wandel, aber auch die Differenzierung in der Gesellschaft führen dazu, dass vorhandene Strukturen maßgeblich verändert werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sich auch Kulturarbeit ändert und den Gegebenheiten anpassen muss.
Nachdem feststand, dass Waldmohr ein geeigneter Standort für ein Kulturprojekt ist, wurde eine Zielsetzung vorgenommen. Unter dem Projektnamen „Heimat im Wandel – Kultur bewegt Waldmohr“ wollte man die Herausforderung angehen. Es sollte versucht werden, das Heimatbewusstsein zu stärken, einen demokratischen Gemeinsinn, aber allem voran ein Wir-Gefühl zu schaffen.
“Kulturentwicklung ist Stadtentwicklung.”
Eckhard Braun
Nachdem die Ziele geklärt waren, machte man sich an die Umsetzung. Dieses Projekt ist für die Bürger gedacht. Somit erschien es sinnvoll, auch Bürger an der Umsetzung teilhaben zu lassen. Eckhard Braun empfahl daher die Bildung eines Kulturkreises. Gesagt, getan. In Kürze wurden zwölf eifrige Bürger, die motiviert waren, gefunden. Sie beschäftigen sich mit Kernfragen wie: „Was ist eine gelingende Kulturarbeit? Welche kulturellen Maßnahmen sind zielführend?“.
Jedes Mitglied sprach mit Freunden und Familie, machte sich selbst Gedanken, wie vorgegangen werden kann. Daraus resultierte, dass Kommunikation das A und O für ein besseres Beisammensein sei. So kam es, dass sich jeder Kulturkreisteilnehmer ein Projekt überlegte, welches er/sie gerne vorantreiben wollte. Einer plante einen Park umbauen, ein anderer einen Kinderchor zu gründen und noch ein anderer wollte einen Theaterverein ins Leben rufen. Ideen, Tatendrang und das gemeinsame Ziel im Blick wurde sich darangemacht, die Ideen umzusetzen.

Die Stadt blüht auf
Der Obst- und Gartenbauverein war auf der Suche nach Zuwachs in der Gemeinde. Es wurden gemeinsam mit dem Kulturkreis Überlegungen angestellt, wie der Verein den Bürgern näher gebracht werden kann. Mit dem engagierten Vereinsvorsitz und dem Tatendrang der Mitglieder wurden zusammen Projekte angestrebt und umgesetzt.
Wanderungen und kleine Grillfeste, wie auch die Aktivierung der Streuobstwiesen, waren Teil davon. Ein Spaß für die ganze Familie! Der Verein wollte einen Ort für Gleichgesinnte schaffen. An dem sich ausgetauscht, Kontakte geknüpft und man gemeinsam aktiv sei kann. So wurde versucht, die brachliegenden Wiesen um Waldmohr wiederzubeleben und neu zu gestalten. Dabei lag der Fokus auf Biodiversität gelegt – erfolgreich. Es ist somit ein sicherer Hafen für alle Pflanzenliebhaber und Interessierten.
Der Verein möchte sein Wissen auch an die Jüngsten weitergeben. Aus diesem Grund arbeitet er mit Grundschulen und Kindertagesstätten zusammen. Es soll versucht werden, die nächste Generation für ihre Umwelt zu sensibilisieren. Mithilfe von unterschiedlichen Projekten wie z.B. Hochbeeten, Anpflanzungen von Bäumen und Kompost-Iglus.
Über den Obst- und Gartenverein und den Sommergarten
Sommergarten
Das Erzählcafé
Ein Kulturkreismitglied wollte einen Ort geschaffen, wo die Bürger regelmäßig zusammenkommen. Die Geschichte und Zukunft ihres Städtchens sollte am Leben erhalten werden. Eine Anlaufstelle für Jung und Alt, für Alteingesessene und Neubürger. Die Kluft zwischen den Generationen soll durch wechselseitige Gespräche geschlossen werden. Das Ziel war somit die Bildung einer Identifikation mit der Stadt und dem Ausbau eines Wir-Gefühls.
Das Erzählcafé findet einmal im Monat im Bürgernahé in Waldmohr statt. Ein bestimmtes und aktuelles Thema steht im Vordergrund. Die Bürger sind herzlich eingeladen, sich darüber zu unterhalten und ihrer Meinung Gehör zu verschaffen.
Der Ablauf eines Erzählcafés ist folgendermaßen. Alle Bürger Waldmohrs haben die Möglichkeit, Themenvorschläge bei dem Café für die nächsten Treffen einzureichen. Diese werden Treffen für Treffen abgearbeitet. Jene, die das Thema vorgeschlagen haben, dürfen bis zu einer Stunde auf dem Podium darüber reden. Im Anschluss daran ist es allen Besuchern gestattet, ihren Standpunkt mitzuteilen. Diese Diskussion wird von einem Moderator angeleitet. Die gesamte Veranstaltung wird für die künftigen Generationen archiviert.
“Die Leute rennen ihnen die Bude ein. Alle wollen sich beteiligen.”
Eckhard Braun
Der (Kultur-) Kreis dreht sich weiter
Zwei Jahre war Eckhard Braun ein engagierter Begleiter von Waldmohr. Er stand mit Rat und Tat zur Seite. Er war mitunter ein Grund dafür, dass die Stadt sich kulturell entwickelt und zusammengewachsen ist. Doch nach zwei Jahren dieser Begleitung lief Eckhard Brauns Stelle aus. Was wird jetzt aus Waldmohr?
Es war nie geplant, dass Eckhard Braun dauerhaft die Gemeinde Waldmohr unterstützt. Jedoch konnten durch seine Hilfe organisatorische Grundstrukturen und ein Netz von motivierten Mitbürgern aufgebaut werden. Durch das erfolgreich Ausprobieren neuer Wege hat sich das Projekt auf den Landkreis und das Saarland ausgedehnt. „Für die Menschen spielen kommunale Grenzen keine Rolle“, sagte Werner Braun. Dies lässt sich deutlich an dem Musikprojekt erkennen, welches dem aussterbenden Musikverein Waldmohrs entsprang. Mittels der Zusammenarbeit von Kinderbildungsstätten und Musikern hat das Projekt sich über Landeskreis- und Bundeslandgrenzen hinausentwickelt.
Somit nimmt alles seinen vorhergesehenen Verlauf und läuft auch ohne Eckhard Braun mit großem Erfolg weiter. Der Kulturkreis trifft sich weiterhin und arbeitet gemeinsam mit dem Kulturbürgermeister an Zukunftsvisionen für Waldmohr. Die Vereine, wie der Obst- und Gartenbauverein, engagieren sich weiterhin fleißig. Das Erzählcafé findet monatlich weiter statt und findet großen Zuspruch. Auch die anderen Projekte des Kulturkreises werden gerade geplant oder umgesetzt. So wird beispielsweise momentan ein Park umgebaut und der Kinderchor singt weiter alle in den siebten Himmel.