Allgemein

Politik und Rheinromantik

von Jean-Philippe Dunker und Jan Hendrik Dettke

Wer den Rhein als reinen Naturschauplatz vor Augen hat, der irrt sich bei dieser Beobachtung. Der, sich im Fluss der Zeit herausgebildeten Bedeutung für die, Politik entsprang sogar, in der Zeit der Romantik, eine eigene Literaturströmung, welche den Rhein bis in die heutige Zeit untrennbar mit seiner kulturellen Umgebung und dem in dieser erschaffenen Vorstellung verbindet. Die Symbiose aus einer besonderen geografischen Lage, vieler verschiedener politisch motivierter Machtkämpfe, von mittelalterlichen Fehden bis hin zur Rheinkrise, verbunden mit dem Einfluss anderer Kulturen, im besonderen Frankreichs, und deren mitgebrachten Kulturgütern und Einflüssen, sowie einer gewissen Obszession mit einer mytifizierten Vorstellung des Vergangenen, schufen die einzigartige Strömung der Rheinromantik.

 

Die Loreley im Herbst (Eigenaufnahme)

Natur

[..]

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
und ruhig fließt der Rhein;
der Gipfel des Berges funkelt
im Abendsonnenschein.

[…]

Ich glaube, die Wellen verschlingen
am Ende Schiffer und Kahn;
und das hat mit ihrem Singen
die Lore-Ley getan.

 

Heinrich Heine – Die Lore-Ley (1827)

 

Der Rhein galt schon immer als einer der, wenn nicht sogar der,  bedeutendsten Flüsse Deutschlands. Im schweizerischen Sankt-Gotthart entspringend mündet er in der Nordsee mit einer länge von 1232 Kilometern, und durchquert dabei 6 Länder. Ein Teil dieses langen Stroms ist der Mittelrhein. Betrachtet man dieses bei strahlendem Sonnenschein zu Beginn des Frühlings, erstrecken sich grün bewaldete Hänge, Weinberge und leuchtende, altehrwürdige Burgen, geteilt durch den Rhein, welcher wie ein goldenes Band zu sein scheint und eine heitere, gar fröhliche Ausstrahlung verbreitet. Bei Frühnebel betrachtet überwiegt eine altertümliche Mystik, welche sich um altes Gemäuer, krumme Eichen und hohe Hänge rankt. Bei Abenddämmerung tritt aus dieser Mystik eine unergründliche, geheimnisvolle Welt  hervor, in deren wachsende Schatten vieles Unentdecktes lauern kann. Doch nicht nur bloße Tageszeiten, sondern auch der Wandel der Jahreszeiten, welcher das sich einem Betrachter bietende Bild und die damit einhergehende Stimmung des Flusses, Tals und seiner Umgebung verändert.

https://youtu.be/zgMItYvbkZk

Der goldene Herbst erschafft ein Meer aus Farben, vor dem ferne Schwärme von abwandernden Vögeln fliehen, wohingegen die bunten Iden des März diese wieder herbei Locken, und die Kälte des Winters eine graue, gar schon Karge, Welt erschafft, die aus den tiefen der Vergangenheit erwachsen zu sein scheint. Diese Naturlandschaft ist geprägt durch das sich erstreckende Wasser, die massiven Felsen und das satte Grün der umliegenden Pflanzenwelt. Doch nicht nur Menschen, die Wandern oder Fahrradfahren wollen kommen auf den Gedanken, dieses schöne Fleckchen Erde aufzusuchen, denn die Landschaft bietet abseits der „reinen“ Natur noch mehr. Alte Gemäuer und Burgen fügen sich nahtlos in die magisch – mystisch anmutende Szenerie ein und verlocken zum Erkunden. Das Rheingebiet bietet somit neben den klassischen Naturliebhabern, auch Geschichtsfreunden ein wahres Füllhorn an Gründen einen Ausflug zu wagen.

Der Strom erscheint...
Der Strom erscheint…
...in anderem Lichte...
…in anderem Lichte…
...wie von einer anderen Welt.
…wie von einer anderen Welt.

Politik

Bereits zu den Zeiten Roms spielte der Rhein eine wichtige Rolle in seiner Funktion als natürlich gegebene Grenze zu der Wildnis des als Germanien bezeichneten Gebiets. Dabei erkannten sie auch das Potenzial dieser Region. So brachte das Imperium auch die eigenen Kulturgüter mit, so z.B. den auch heute noch bedeutenden und regionsformenden Weinanbau, und erbauten verschiedene Städte wie die heutigen Städte Trier oder Köln.  Im lauf der folgenden Jahrhunderte entstanden viele Burgen entlang des Rheins unter der Herrschaft verschiedener Ritter und Fürsten, und kam sogar, während der immer weiter anwachsenden Flussschifferei, zu Flusspiraterie, da der Rhein einen tragenden Transportweg für Güter aller Art darstellte.

https://youtu.be/VmYTfKdzdvg

Die preußische Rheinprovinz 1789

Da diese Strecke sich als ein äußerst lukratives Geschäftsmodell herausstellte, stiegen Adel sowohl als auch Klerus ein und so entstanden entsprechende Zollstationen, wie, womöglich, der Maußthurm von Bingen. In den folgenden Jahrhunderten veränderten sich die Gepflogenheiten diesbezüglich, wobei aber eines sich nicht änderte, sprich die Wichtigkeit des auch als Vater Rhein bekannten Flusses als Transportweg. Dies hatte, wie die meisten Dinge, jedoch auch negative Auswirkungen.

Die verschiedenen politischen Besitzansprüche gaben immer wieder Anlass zu verschiedenen kriegerischen Auseinandersetzungen, besonders zwischen Frankreich und Deutschland bzw. zwischen Frankreich und den damaligen deutschen Kurpfalzen und Fürstentümern. Gerade diese Rivalität war es jedoch auch, die ihren nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Weiterentwicklung und Fortbildung der Rheinromantik leistete, indem, in Form von Burgen und einer reichen historischen Fülle, die aus diesen Konflikten entstanden.

 

Die Braubacher Marksburg in Mitten des Sommers (Eigenaufnahme)

Kultur

Nicht nur wirtschaftliche Gründe tragen zur langanhaltenden Relevanz des Flusses bei, denn schon seit jeher gilt das Rheintal als eine der schönsten Regionen Deutschlands und diente bereits vielen als eine Muse. Für das Mittelrheintal, welches 2002 sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurde und jährlich viele Touristen aus aller Welt anzieht, gilt dies besonders, ist schließlich eine landschaftlich besonders schöne Gegend, der eine lange, sofort erkennbare, Geschichte noch bis heute anhaftet. Daher verwundert es nicht, dass sich so viele Mythen und Legenden darum ranken, die viele Künstler durch mithilfe von dieser Schönheit inspirierten und dazu brachte, werke zu schaffen, die die Zeit überdauerten und an denen wir uns heute noch erfreuen kann.

https://youtu.be/f21lO8i5kmA

Ob Musik, Malerei oder Schriftstellerei, Werke jeglicher Art, nicht nur deutscher Künstler, lassen sich hier finden. So wären beispielweise Mary Shelley (Frankenstein), Richard Wagner (Das Rheingold), Clemens Brentano (Loreleylied) oder William Turner (verschiedene Gemälde seiner Rheinreise), sowie viele andere, zu nennen wären. Besonders hervorzuheben wäre hier Brentano, der, 1778 in Koblenz-Ehrenbreitstein geboren, sich mit seinen Werken um das Rheintal zu großer Berümtheit und einem langanhaltenden Vermächnis brachte. Noch heute kann man sein Geburtshaus in Koblenz-Ehrenbreitstein, in der Hofstraße 262, sehen und ein kleines Brentano-Museum in Oestrich-Winkel besuchen.

 

 

Joseph Mallord William Turner; Rainbow: A View on the Rhine from Dunkholder Vinyard, of Ostersprey and Feltzen below Bosnart (ca.1819)
Brentano-Kolloquium an der Universität Koblenz

Nicht nur den Rhein selbst umranken zahlreiche Legenden, sondern auch das umliegende Land bietet genügend sagenhafte Schauplätze, die eines genaueren Blickes mehr als würdig sind. Dies gilt dann umso mehr, wenn sich aus der natürlichen Landschaft erhabene Bauten erheben. Diese schmücken nicht nur die Landstriche, sondern sie zeugen auch von der reichhaltigen Geschichte, welche an ihnen haftet. Ein vortreffliches Beispiel hierfür ist der Mäuseturm von Bingen. Die Faszination, die dieses Gebäude auslöst, resultiert dabei weniger aus der imposanten Baukunst als vielmehr aus dem Mythos, dem der Turm seinen Namen verdankt. Dabei ist es eigentlich falsch, von nur einem Mythos zu sprechen, da es, wie es typisch ist für Mythologien, stets mehrere Varianten der im Kern gleichen Geschichte gibt.

Das Zentrum dieser Geschichte bilden die Heerscharen der Mäuse, die in bestrafender Funktion schier unaufhaltsam ihr Unwesen treiben und schändliches Verhalten richten. Hierbei variieren die Geschichten teils stark und schwanken zwischen belustigenden Geschichten und schaurigem Grusel. Mal hält eine einzige Katze alle Mäuse auf und vertreibt diese, mal überwinden die Mäuse jedes Hindernis, um einen grausamen Adligen oder einen solchen Geistlichen seiner „gerechten“ Strafe zuzuführen. Welche Variante überliefert wird, ist stark von der jeweiligen Örtlichkeit und dem zeitlichen Kontext abhängig gemacht. Die Überlieferung dieser Geschichte wird nicht nur durch mündliches oder schriftliches Weitertragen gesichert, sondern auch durch zahlreiche zeitgenössische Kunstwerke, wie von dem Mythos inspirierte Kupfer- oder Holzstiche. 

 

Ansicht des Mausthurms bey Bingen – Johann Andreas Ziegler (1792)
Plakette auf Brentanos Geburthaus in Koblenz-Ehrenbreitstein (Eigenaufnahme)

Aller Faszination, die man dieser Geschichte abgewinnen können möge, könnte die Frage trotzdem aufkommen, warum diese Legende, die auf altbekannten Tropen aufbaut, im Rahmen einer Brentano–Tagung Beachtung findet, stammt sie schließlich nicht von ihm selber, sondern nur adaptiert wurde. Der Zweck dieser Tagung bestand nicht in der alleinigen Huldigung der Person Brentanos, sondern in der Betonung der Vielfalt der Geschichtswelt des Rheingebiets, zu der Brentano in prägender Weise beigetragen hat. So vielfältig wie die Natur die behandelt sind eben auch die unterschiedlichen Menschen und deren Geschichten, und das Rheingebiet symbolisiert dies in vorzüglichster Form. Gerade darum ist es so wichtig, solche Tagungen zu veranstalten, um diese Vielfalt einem breiteren Publikum bekannt zu machen und zu verdeutlichen, wie unterschiedlich man an diese Thematiken heranzutreten vermag.

Flussdämmerung (Eigenaufnahme)

 

Wenn das Wasser des Rheins sanft plätschert und die malerische Landschaft sich auf dessen Oberfläche spiegelt, lädt dieses verträumte Bild, welches sofort die Sehnsucht nach Urlaub und der Flucht aus dem tristen Alltag weckt, dazu ein, die Region zu besuchen. Schöne Wanderwege, Schifffahrtstouren mit Aufenthalt und Besichtigungsmöglichkeiten, viele verschiedene Freizeitaktivitäten, gute Gastronomie und eine herausragende Landschaft laden zu einem Besuch der Region ein und runden das Programm ab. Erst das Eintauchen in diese magische Atmosphäre erlaubt ein Verstehen des in der Rheinromantik geschilderten Zaubers dieser Gegend.

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