Editorial

Psychisch gesund studieren: Wer hilft am Campus Koblenz?

Psychosoziale Beratung des Studierendenwerks

Mit einem herzlichen Lächeln erscheint Andrea Porz auf dem Bildschirm. Um ihre Schultern liegt ein geblümter Schal. Im Hintergrund kann man ein Regal mit allerleih Gegenständen und Büchern erkennen, in der linken Ecke liegt ein Medizinball. Ihre kraftvolle, etwas raue Stimme und ihre sonnige Ausstrahlung überwinden sogar die Distanziertheit des Online-Gesprächs. Von diesen führt sie momentan viele.

Denn seit der Corona-Pandemie steigt die Zahl der Hilfesuchenden. Daher erscheint die Beratungsstelle mehr denn je wie ein Fels in der Brandung. In herausfordernden Zeiten braucht es Strukturen, auf die man sich verlassen kann. Es braucht Anlaufstellen und Menschen, die ein offenes Ohr und Hilfe anbieten.

Umgang in der Krise

Das Balkendiagramm zeigt, dass es im Jahr 2020 mehr Beratungskontakte gab als die Jahre zuvor.

Die psychosoziale Beratungsstelle ist eine unabhängige Einrichtung, die sich um die Hochschule und Universität in Koblenz kümmert. Somit kann ihr die Trennung der Universität Koblenz von Landau nichts anhaben. Die Corona-Pandemie hat aber Spuren hinterlassen – bei den Studierenden und Berater:innen. Von heute auf morgen wurde das Miteinander auf den Kopf gestellt: Wie kann ein Austausch auf Abstand funktionieren? Für die besondere Situation musste eine neue Lösung her. Viele andere Stellen dieser Art sahen sich tatsächlich dazu gezwungen, auf Kurzarbeit umzustellen oder ganz dicht zu machen. Deshalb ist Porz froh, dass man mit der Videoberatung sofort auf die neuen Umstände reagieren konnte. Eine Herausforderung ist es dennoch. „Im unmittelbaren Gespräch mit dem echten Gegenüber bekommt man mehr mit an Schwingungen, an Atmosphäre“ meint die Beraterin. Also sei es umso wichtiger die Leute mitzunehmen, „mitzuschwingen.“

Außerdem befinden sich die Berater:innen im Spagat wegen der zeitlichen Ressourcen. Einerseits muss weiterhin die Qualität der Beratung gewährleistet werden, andererseits muss die Beratungsstelle auf den Anstieg der Kontaktanfragen eingehen. Als wäre dieser Umstand nicht schon herausfordernd genug, sind die einzelnen Themen noch intensiver, die Hintergründe schwieriger. „Genau wie die Studierenden“, meint Porz, „müssen wir gut für uns sorgen.“

Psychisch gesund studieren

Studieren funktioniert seit zwei Jahren anders. Räume für Austausch und spontane Kontaktmöglichkeiten sind weggebrochen und mussten in Online-Formate umorganisiert werden. Das Geschehen auf dem Campus, im Hörsaal oder im Seminarraum hat sich verlagert in virtuelle Räume wie BigBlueButton, ZOOM, OLAT oder Mahara und in die Quadratmeter des eigenen Heims. Das Selbstverständnis vieler Studierender scheint unter der Situation zu leiden, da sich die Auseinandersetzung mit Kommiliton:innen und Dozierenden aber auch mit dem Lernstoff anders gestaltet als normalerweise.

Nun… wie geht es den Studierenden, Frau Porz? Die Pandemie habe Student:innen hervorgebracht, die bedauern, nicht „richtig“ studieren zu können. Die Folgen sind soziale Isolation, Einsamkeit, Arbeitsstörung und Motivationsverlust. Sehr häufig trete eine Verschlimmerung von psychischen Problemen auf. „Lehre und Lernen ist ein soziales Geschehen“, so Porz. Die coronabedingte Veränderung der universitären Strukturen bedeute gewissermaßen ein Verschwinden der studentischen Identität.

Die akademische Ausbildung braucht ein gutes Gesundheitsmanagement – das zeigen diese herausfordernden Zeiten. Bei all den Vorlesungen, Seminaren, Übungen, Credit Points und Prüfungen ohne das angemessene soziale Leben am Campus….

… was bedeutet es da eigentlich, psychisch gesund zu studieren?

Wie kann die Universität dabei helfen? „Sie kann ganz viel tun!“ findet Andrea Porz. Eine gute Lehre soll ihrer Meinung nach Begeisterung und Leidenschaft beinhalten. Trotz der aktuell widrigen Umstände meistern dies viele Dozent:innen. Sie holen die Studierenden mit guten Konzepten, viel Fantasie und Engagement ins Boot. Die hybride Lehre empfindet die Beraterin als gute Lösungsmöglichkeit. Allerdings gibt es viel Luft nach oben. Studierende berichten, dass sie ihre:n Professor:in noch nie zu Gesicht bekamen – weder in Person, noch in Echtzeit auf dem Bildschirm. Anstatt Online-Meetings zu halten, werden alte Videos gezeigt. In Anbetracht der Umstände trägt dies natürlich zum Einsamkeitsgefühl und Motivationsverlust bei. „Aber es gibt eben auch Leute, die das viel besser machen!“ sagt Porz.

Außerdem sind gesundheitsfördernde Strukturen wichtig. Die unterstützenden Angebote der Universität selbst sollen vermehrt organisiert werden. Es brauche mehr psychosoziale Beratung, mehr MoSAiKs, mehr NeuStArts.


26 Jahre Beratung im Studierendenwerk

Im letzten Jahr wurde das Jubiläum gefeiert – 25 Jahre Beratungsstelle. Die Unterstützungsangebote waren und bleiben wichtig, auch in diesem Jahr. Die universitären Strukturen verändern sich, die Corona-Pandemie belastet noch zusätzlich.

Porz betont, man biete niedrigschwellig und unkompliziert Beratungsangebote und daneben verschiedene Workshopformate an. Lerngruppen, WGs und einzelne Ratsuchende kommen zur Einrichtung. Die Anliegen sind ebenso vielfältig wie die Angebote. Zu den jüngsten Projekten gehören eine Veranstaltung zum Thema Achtsamkeit sowie eine andere zur Prokrastination. Zudem gibt es seit Neuestem offene Räume für einen allgemeinen Austausch. Diese Räume sind in Corona-Zeiten spärlich geworden. Fragen wie „Wie soll ich das denn nur alles hinkriegen?” treffen in der Einrichtung auf offene Ohren.

Die Berater und Beraterinnen stehen auf einer grünen Wiese.

„Wir helfen beim Sortieren, beim Orientieren.”

Als Berater:innen einer Erstanlaufstelle wissen Frau Porz und ihre Kollegen mit verschiedenen Lebenssituationen umzugehen. Sie sind gut vernetzt und können Studierende somit weiter an andere Institutionen vermitteln. „Wir können Studierenden Ideen geben, wo sie vielleicht noch bessere oder spezifischere Unterstützung kriegen können“, so Porz. Wie lange jemand Unterstützung braucht, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Manchmal ist der gemeinsame Kontakt nur von kurzer Dauer, manchmal begleitet man den Menschen länger.

Eine Überraschung vor Kurzem: Ein Student war gar inspiriert.
Einführung von Beranet 2013: Nur einen Raum zur Verfügung zu stellen, kann helfen.

Die Mitarbeitenden im Beratungsteam seien grundsätzlich für alle Themen und Anliegen ansprechbar. Ihre Kollegin Beate Bastian ist speziell auch auf die Kita-Arbeit ausgerichtet und bietet deshalb etwas zum Thema „Studieren mit Kind“ an. Frank Steffens, ein weiterer Kollege, ist im Netzwerk für internationale Studierende und dem Projekt „KOSINUS“ aktiv. Porz bietet ferner Beratung für „Studierende mit Beeinträchtigungen“ an und arbeitet hier eng mit den Beauftragten von Universität und Hochschule zusammen. Von wem man beraten werden möchte, kann man frei wählen.


Andrea Porz

Porz war von Anfang an mit dabei. 1996 baute sie die psychosoziale Beratungsstelle des Studierendenwerks mit auf. Die Diplom Sozialpädagogin arbeitete zuvor als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Sozialpädagogik an der Hochschule Koblenz. Sie durchlief verschiedene Bereiche der Beratung und machte viele Zusatzausbildungen. Sie habe schon immer ein Interesse an der Tätigkeit verspürt. „Beratung ist ja irgendwie toll!“ sagt sie und lacht in die Kamera. Sie wirkt glücklich mit ihrer Arbeit.

Momentan begleitet sie ein Student und plant mit ihr Projekte: Raphael Leischner. Er beschreibt die gemeinsame Arbeit als wertvoll und positiv. Zudem weiß er sie als Person zu schätzen – er bewundert ihren Blick auf die Dinge und wie sie die Beratungsstelle mit großem fachlichen Wissen bereichert.

Er erfährt die studentischen Sorgen der Studierenden selbst, er kennt den Stress. Und sein Motto lautet: „Regelstudienzeit ist nur ein Wort.“ Der Leistungsdruck sei während Corona nicht weniger geworden. Doch als Mensch habe man nun mal nicht nur ein Studium zu bewältigen, so Leischner, sondern hat man auch eine Familie, eventuell einen Job und immer neue Lebenssituationen, die einen beeinflussen.

Für all jene, die sich in der aktuellen Zeit einsam fühlen, dem Leistungsdruck ausgesetzt sind und einfach nicht wissen, wie sie mit ihren momentanen Lebensbedingungen umgehen sollen, haben Frau Porz und Herr Leischner folgende Botschaften:

-SAGT LEISCHNER.

„Gehen Sie einen Schritt auf sich selber zu. Und gehen Sie einen Schritt auf andere zu.“

…rät Andrea Porz.

Und auch: Seid freundlich zu euch selbst, vor allem dann, wenn ihr einmal nicht so funktionieren könnt, wie es jemand von euch will. Ihr seid nicht allein allein. Seht euch online um, wo ihr andere Menschen kennenlernen könnt: Spieleabende für Bewohner:innen in den Wohnheimen und Angebote von Fachschaften sind nur zwei Ideen. Manchmal erfordert ein solcher Schritt sicherlich Mut – doch die Investition lohnt sich. 

Quelle des Titelbilds: Unsplash/Ben Blennerhassett
Grafik und Illustrationen: selbst erstellt
Teamfoto: Studierendenwerk

Von: Marina Neuwert und Lea Lederer

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