Schweden 2021/22 – Göteborg

– by Stefan Hill

Vorbereitung

Zur Vorbereitung gibt es nicht besonders viel zu berichten, denn grundsätzlich kann man relativ wenig falsch machen, wenn man einfach den Instruktionen auf der Webseite vom International Office folgt. Ein klein wenig mehr bürokratischen Aufwand hat man, wenn man das Auslandssemester während man vor Ort ist spontan verlängern möchte. Hier empfiehlt es sich daher, so früh wie möglich mit der Planung der Verlängerung zu beginnen.

Wohnen

Ich habe mir für den Anfang erstmal ein Airbnb geholt und die Stadt nach den besten Spots erkundet. Mein Zimmer für das erste Semester habe ich dann auf einer Webseite namens bostadsportal [1] gefunden, nachdem ich circa 200 Anfragen rausgeschickt hatte. Wichtig zu wissen ist eigentlich nur, dass der Wohnungsmarkt in großen Städten einfach sehr schnell ist und man möglichst innerhalb der ersten Minuten nachdem eine Anzeige veröffentlicht wurde direkt antworten muss und bereit sein muss, direkt einen Besichtigungstermin auszumachen.

WGs wie in Deutschland gibt es in Schweden eher selten, meistens wohnt man mit dem Vermieter selbst zusammen in einer Wohnung. In meinem Falle war das dann eine Familie und ein anderer Student. Die Wohnung war in Lunden, was mit ÖPNV von der Innenstadt in 15 Minuten und vom Campus in 25 Minuten erreichbar ist und die Miete von 500€ war ziemlich im Durschnitt – je nach Lage zahlt man zwischen 400€ und 750€ im Monat. Wer eine zentrale Lage schätzt, sollte in den Vierteln Haga, Vasa, Valand oder Inom Vallgraben ausschau halten. Wer nah am Campus wohnen möchte eher in Johanneberg oder Landala.

Wer über Erasmus an der Chalmers studiert hat keine feste Platzzusage im Studentenwohnheim. Falls man also unbedingt in einem Studentenwohnheim leben möchte, sollte man sich entweder drei Jahre vorher in eine Warteliste eintragen, zwei Monate vorher nach einem Last-Minute-Zimmer [2] suchen und dann ein bisschen früher nach Schweden fahren oder in ganz vielen Facebook-Gruppen anmelden und ein bisschen Glück haben.

Göteborg als Stadt

Der Vorteil von dieser Wohnung war, dass man sehr schnell in die umliegenden Wälder zum Laufen gehen konnte. In Göteborg gibt es generell sehr viele größere Parks in der ganzen Stadt, wo man gut wandern gehen oder Sport machen kann. Man sollte dabei allerdings nicht unterschätzen, dass die Landschaft insgesamt nicht so flach ist, wie es auf der Karte scheint – der Campus selbst liegt auch auf einem kleinen Hügel.

Der ÖPNV ist in Göteborg sehr gut ausgebaut und man kann mit dem innerstädtischen Zone-A-Ticket sogar mit der Fähre raus auf die Inseln fahren. Ein gemütlicher Ort für einen Kaffee ist Haga – das historische Künstlerviertel – einen Club besucht man in Avenyn oder eine Kneipe in Andra Langgatan. Man kann außerdem gut am Hafen spazieren gehen oder von kleinen Parks wie Skansen Kronan auf die Stadt herunterschauen. Tages- oder Wochenendreisen nach Oslo und Stockholm sind im Erasmus-Budget durchaus drin [3] – im Winter kann man auch Reisen nach Lappland buchen.

Chalmers – die Universität

Chalmers ist eine private Universität und ähnelt in vielerlei Hinsicht einer nordamerikanischen Eliteuni. Überall sieht man das Chalmers-Logo und jeder in der Stadt kennt die Uni und ihren Ruf, der teilweise dadurch zustande kommt, dass manche Fachschaften sehr spezielle Aufnahmerituale pflegen. Einer Legende nach soll man als Student beispielsweise in einer Ritterrüstung auftauchen, wenn man bei einer Klausur den zehnten Versuch schreibt.

Generell tragen die Studierenden an der Chalmers sehr viel Eigenverantwortung. Unter anderem unterhält die Studierendenschaft drei Hütten mit Sauna am See [4]. In der Uni gibt es zahlreiche Cafés und Restaurants, sowie Sportanlagen und auch eine Sauna mit Schwimmbad. Nachdem man den Semesterbeitrag in Höhe von 20€ bezahlt hat, genießt man außerdem Vergünstigungen bei Bustickets, in mehreren Gyms und bei Coop kann man Nudeln und Pesto zum halben Preis kaufen [5].

Das Profil der Universität ist sehr stark technisch ausgerichtet, was bedeutet, dass im Vergleich zu Koblenz deutlich mehr Veranstaltungen angeboten werden, die zu einem Informatik-Studium passen. Die Veranstaltungen werden grundsätzlich auf Englisch gehalten und generell sprechen fast alle Schweden ein gutes Englisch.

Kurse und Studiensystem

Für das Auslandssemester hatte ich mir vorgenommen, möglichst viele interdisziplinäre Kurse zu belegen – und das würde ich immer noch jedem empfehlen, der ins Ausland geht. Gerade dadurch, dass man als Informatiker später eigentlich in jeder Branche arbeiten kann, dachte ich mir, dass es sicher sinnvoll sei, sich mal die verschiedenen Methodiken und grundsätzlichen Konzepte anderer Disziplinen anzuschauen. Man sollte dazu vielleicht sagen, dass das akademische Jahr in Schweden in vier study periods organisiert ist, die ungefähr halb so lang wie ein deutsches Semester sind [6]. Pro study period hat man dann zwei Kurse, und das ist von der Auslastung so berechnet, dass man immer noch genug Freizeit hat.

Begonnen habe ich daher in der ersten study period mit dem Kurs „Future renewable energy systems“. Thematisch ging es um Windparks, Wasserkraft und Solaranlagen und wie man diese ans Netz anbindet. Neben den Vorlesungen gab es einen Ausflug zu einem Windpark und ein Laborpraktikum mit Experimenten zu Solaranlagen. Die Prüfungsleistung bestand aus einer Klausur und einem Paper über ein beliebiges fachlich relevantes Thema. Wenn man ein wenig draußen an der frischen Luft arbeiten möchte, ist dieser Kurs sicherlich eine gute Idee und mein persönliches Fazit ist, dass man mit Ingenieuren ziemlich gut chillen kann.

Meinen zweiten Kurs „Quantum information & quantum optics“ habe ich nach vier Wochen abgebrochen, weil ich feststellen musste, dass ich meine Oberstufenkenntnisse der Quantenmechanik besser in einem dreijährigen Bachelorstudium vertieft hätte, bevor ich mir diesen Kurs gegeben hätte. Danke an dieser Stelle an Nils und Tobi aus Aachen, die trotzdem ihr Bestes gegeben haben, um mich durchzubringen. Ich fange jetzt meine Masterarbeit zu einem Thema im Bereich Quanten Computing an und das hätte ich mir vor ein paar Monaten nicht wirklich zugetraut.

Statt diesem Kurs habe ich mir dann alle Unterlagen zu „Vertiefung Theoretische Informatik“ reingezogen und eine mündliche Prüfung bei Frau Prof. Sofronie-Stokkermans in Koblenz abgelegt. Das ging wegen Corona digital und war unter dem Gesichtspunkt praktisch, weil das Modul im Master Informatik ein Pflichtfach ist. Gleichzeitig habe ich dann im Oktober digital an der Uni Koblenz das Modul „Smart Process Analytics“ gestartet. Auch dieser Kurs ging gut digital aus Schweden, weil er vor allem aus zwei großen Gruppenarbeiten in Form einer Programmieraufgabe besteht und die Prüfung erst im Februar ist.

In der zweiten study period habe ich dann zwei Kurse aus der Richtung Technologie und Management gewählt. „Practical leadership & entrpreneurship“ bestand zum größten Teil aus einer Gruppenarbeit mit einer echten Firma im Bereich Windenergie, für die wir als externe Berater ein Konzept für Stakeholder Management erstellen mussten und in einer Veranstaltung am Kursende pitchen mussten. „Platform development & modularization management“ war ein theoretischer Kurs in dem die Vorteile von verschiedenen Strategien der Organisation von R&D Abteilungen diskutiert wurden. Beide Module beinhalteten Seminare, Gruppenarbeiten und die Benotung basierte hauptsächlich auf einer finalen Reflektion über die Erfahrungen im Kurs. Wenn man aus dem Grundstudium eher Klausuren gewöhnt ist, ist diese Art zu arbeiten etwas neu, aber hat auch etwas für sich. Man ist deutlich freier in dem was man tut und näher an der tatsächlichen Situation auf der Arbeit später. Andererseits würde ich sagen, dass man deutlich weniger Faktenwissen lernt und es sich dadurch anfühlt, als habe man am Ende nichts Vorzeigbares erreicht.

Insgesamt wird im schwedischen Bildungssystem sehr viel Wert auf eigenständiges Arbeiten gelegt. Das spiegelt sich auch in der Architektur der Universität wider. In jedem Gebäude gibt es ganze Flure mit sehr gut ausgestatteten Gruppenräumen, die man als Student über digital buchen kann. Auch waren die Veranstaltungen perfekt auf hybride Arbeitsformate ausgelegt. Was manchmal eine kleine Übung in Zeitmanagement war, weil es keinen regelmäßigen Rhythmus gab, wenn eine Gastvorlesung dazwischengeschoben wurde.

Anders als in Deutschland startet das akademische Jahr in Schweden schon Ende August und das sollte man berücksichtigen, wenn man nach Schweden fährt. Für einen gemütlichen Aufenthalt in Schweden eignet sich daher besser das Wintersemester, weil man ansonsten ein ganzes Semester verliert. Plant man allerdings mit hybriden Optionen und ist flexibel in seinen Arbeitszeiten, kann man sehr gut parallel an beiden Universitäten gleichzeitig studieren.

Masterarbeit im Ausland

Während ich diesen Bericht schreibe, befinde ich mich gerade in der Planung für die Masterarbeit. Zum Zeitpunkt, zu dem ich diesen Bericht schreibe, ist nicht ganz klar, wie die Masterarbeit gefördert wird. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass die Masterarbeit nicht über Erasmus angerechnet werden kann, daher empfiehlt sich folgendes Konstrukt: Mit Erasmus ein Semester Kurse belegen, ein zweites Semester als Erasmus Zero Grant Phase anmelden und zusätzlich für ein PROMOS-Stipendium beim DAAD bewerben [7].

 

[1] https://bostadsportal.se/

[2] https://sgs.se/Mina-sidor/Login?return=https://sgs.se/mina-sidor?sc_lang=en

[3] https://www.flixtrain.se/tagforbindelser/goeteborg-stockholm

[4] https://chalmersstudentkar.se/recreation-harryda/

[5] https://mecenat.com/se

[6] https://student.portal.chalmers.se/en/chalmersstudies/Pages/TheAcademicYear.aspx

[7] https://www.uni-koblenz-landau.de/de/international/studis-ins-ausland/foerdermittel/DAAD/promos