Marcel Diekel ist das stadtbekannte Gesicht der Koblenzer Kultkneipe. Zur Kneipe Handelshof ist er über Umwege gekommen. Denn ursprünglich ist Marcel gelernter Elektriker. Nach seiner Lehre ging der gebürtige Koblenzer dann zur Bundeswehr. Noch während seiner Zeit dort fing Marcel an, im Handelshof zu arbeiten. Seitdem liebt Marcel seinen Beruf. Auch wenn für ihn die wirkliche Arbeit erst beginnt, wenn seine Kunden schon in ausgelassene Feierstimmung verfallen. Für den Kneipier verschwimmen in seinem Reich Arbeit und Freizeit miteinander. In Marcels Fall ist das keine abgedroschene Plattitüde, denn seine Kunden kaufen ihm diese Aussage sofort ab.
Im Handelshof sind vor allem die Stammkunden meist mehr als nur normale Gäste. Vielmehr sind sie auch Freunde für Marcel. Neben der Bewirtung der Gäste muss auch immer wieder mal Zeit für einen ausgiebigeren Plausch oder für ein schnelles Schnäpschen sein. Und auch wenn viele ihn deswegen für „bekloppt“ erklären – für Marcel ist die Arbeit eher Spaß als Stress.
Schlaflosigkeit als Routine
Sechsmal in der Woche wird im Handelshof frisches Königsbacher gezapft. Nur montags bleiben die Rollläden den gesamten Tag über unten.
Die langen Arbeitszeiten, die viele abschrecken würden, sind für Marcel kein Problem. Unter der Woche steht er schonmal 10 bis 12 Stunden hinter dem Tresen. Am Wochenende manchmal sogar 16 oder 17 Stunden am Stück – von den Vorbereitungen für den Abend und dem Aufräumen danach einmal ganz abgesehen. Dazu kommen noch Einkäufe und organisatorische Angelegenheiten.
Die Diekels
Marcel übt seinen Beruf schon immer sehr gerne aus. An einem anderen Ort zu arbeiten und die liebgewonnene Kneipenatmosphäre aufzugeben, kann er sich eigentlich gar nicht vorstellen. Trotzdem hat seine Familie immer oberste Priorität für ihn. Der Wirt wird von seiner Frau Yvonne tatkräftig hinter der Theke unterstützt.
Sollte sie einmal sagen, dass er mit dem Kneipenwirt-Dasein aufhören soll, dann würde er sofort aufhören, so Marcel. Damit die beiden zumindest etwas den Kopf frei bekommen und Abstand zur Arbeit gewinnen können, wohnen sie bereits seit über zehn Jahren im Westerwald. Die Arbeitswoche über ist Marcel trotzdem meist in Koblenz. Nur an seinem freien Tag schläft er zuhause. „Das Familienleben leidet schon darunter“, gibt er zu. Ohne die Unterstützung seiner Frau würde es nicht gehen. Und auch wenn Marcel das Gesicht des Handelshofs ist, alleine könnte er das alles nicht bewältigen, betont er.
Außerhalb des Kneipenalltags
Aber auch abseits der Kneipe im Herzen der Koblenzer Altstadt kann man Marcel hin und wieder mal antreffen. So zum Beispiel bei Heimspielen des Koblenzer Fußball-Vereins TuS Niederberg. Der Kneipier bekennt sich zu seiner großen Verbundenheit mit dem Stadtteil-Club. Nicht zuletzt, weil er in Niederberg als Trainer der damaligen Damenmannschaft seine heutige Frau Yvonne kennengelernt hat. Marcel scherzt: „Ich habe mein eigenes Gesetz gebrochen“. „Ich habe gesagt, ich fange nie etwas mit einer Frau aus der Mannschaft an – das hat nicht ganz geklappt“ ergänzt er lachend. Aber auch ansonsten hat er auf dem Gelände des TuS viele Stunden seines Lebens verbracht.
Deshalb ist es für Marcel eine Herzensangelegenheit, den Verein finanziell zu unterstützen. So ist sein Handelshof seit ein paar Jahren offizieller Sponsor der Trikots der ersten Mannschaft. Marcel weiß nur zu gut, dass solch ein Sponsoring auch andernorts in Koblenz die Herzen höher schlagen lassen würde. Denn der Handelshof ist die wahrscheinlich mit Abstand beliebteste Kneipe eingefleischter Schängel.
Die Handelshof-Familie
Zu regulären Zeiten und bei voller Auslastung am Wochenende arbeitet Marcel stets mit seiner Frau Yvonne und noch ein oder zwei seiner „Mädels“ zusammen, wie er sie liebevoll nennt. Eine dieser Aushilfen ist Michelle.
Die gelernte Bürokauffrau jobbt seit über acht Jahren nebenbei im Handelshof. An den Job hinter der Theke ist sie über den Kontakt eines Freundes gekommen. Allerdings verkehrte sie bereits zuvor selbst als Gast äußerst gerne in der urigen Kneipe.
Mittlerweile arbeitet Michelle meistens einmal pro Wochenende hier. Sie ist gerne im Handelshof, auch wenn es dort mitunter sehr stressig sein kann.
Denn die gesamte Kneipe ist für die Servicekraft wie ein zweites Zuhause und all ihre Akteure wie eine „kleine Family“ für sie geworden: Marcel und Yvonne seien immer für sie da, eine Art zweite Eltern, betont Michelle. Aber auch ihre Kolleginnen und einige der „Jungs“, die zu den Stammkunden zählen, sind mit der Zeit zu guten Freunden geworden. So hat die 27-Jährige auf der Arbeit immer etwas zu lachen und geht am Ende der Nacht meistens gut gelaunt nach Hause.
Covid-19 als Herausforderung
Die Corona-Pandemie und die daraus resultierenden Richtlinien und Schutzmaßnahmen haben auch die beliebte Koblenzer Kultkneipe stark getroffen. Aufgrund der geringen Anzahl an erlaubten Kunden arbeitet Marcel momentan meistens alleine. Seine Frau hilft nur ab und zu aus, Aushilfen werden im Moment gar nicht benötigt. Darüber hinaus muss Marcel nun viel mehr darauf achten, dass alle auferlegten Hygiene-Regeln eingehalten werden. Auch oder gerade dann, wenn die Kunden alkoholisiert sind. In der ständigen Befürchtung, dass jederzeit das Ordnungsamt nach dem Rechten sehen könnte, ist der ansonsten so leidenschaftliche Gastwirt in diesen ungewöhnlichen Zeiten auch immer mal wieder gestresst.
Das größte Problem für Marcel ist jedoch, dass natürlich auch bei ihm im Handelshof erhebliche Geldeinbußen entstehen. Nicht nur, dass deutlich weniger Kunden als normal in die Kneipe hinein dürfen und dementsprechend weniger Gesamteinnahmen zusammenkommen. Zu Beginn der Wiederinbetriebnahme aller Gaststätten war die Sperrstunde zudem für 22 Uhr angesetzt. Um diese Uhrzeit geht das Treiben im Handelshof eigentlich erst los. Vorher sind dort entsprechend weniger Kunden anzutreffen. Dazu verdient Marcel vorrangig am Verkauf von Spirituosen, welche in den meisten Fällen auch erst zu später Stunde getrunken werden.
Er freut sich natürlich, dass der Lockdown vorerst vorüber ist und überhaupt endlich wieder etwas Leben in seinem Handelshof herrscht. Die Gesamtbilanz bleibt dennoch eine negative für Marcel. Im besten Fall läuft momentan alles kostendeckend, großartiger Gewinn springt eher weniger raus. Unter dem Strich lohnt es sich für ihn also fast gar nicht, geöffnet zu haben. Aber so bleibt man im Gespräch. Und immerhin: die meisten seiner Stammkunden sieht er mittlerweile regelmäßig wieder.
Wenn alles plötzlich anders ist
Der Zwang zum ungewohnten Stillstand und die permanente Ungewissheit bezüglich der Zukunft waren für Marcel das Schlimmste, sagt er. Denn die zwangsläufige Stagnation steht in Widerspruch zu dem umtriebigen Wesen des Wirts. Statt auf den turbulenten Nachtbetrieb musste er sein Leben nun auf mehr oder minder gewöhnlichen Tagesbetrieb umstellen. Trotz dem ungewollten, deutlichen Mehr an Freizeit ist Marcel oft im Handelshof gewesen. Während des Lockdowns hatte er Zeit die Dinge zu erledigen, für die ansonsten keine Zeit bleibt. So nutzte er die Ruhephase für eine umfassende Grundreinigung und Renovierung der in die Jahre gekommenen Kneipe. Denn auch das Koblenzer Urgestein weiß, dass man sich mit den neuen Bedingungen vorerst arrangieren muss, so unschön sie auch sind. Das Beste aus der Situation machen, darum geht es – eben auch für Marcel Diekel und seinen Handelshof.
Nicht nur der Wirt und seine Angestellten sind von der Corona-Pandemie betroffen. Auch für die Gäste des Handelshofs hat sich Vieles verändert. Was bedeutet der Ort Handelshof für sie? Was ist seit der Pandemie anders? Wie gehen sie damit um, wenn die Kneipe plötzlich leer bleibt?
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Wirt Marcel auf Facebook: https://www.facebook.com/marcel.diekel.9