Ein durchdringendes Surren breitet sich in dem altmodisch eingerichteten Raum aus. Es ist fast, als würde man die Konzentration des jungen Mannes am eigenen Leib spüren können. Immer wieder setzt er an und wieder ab. Alles im Takt der laufenden Hintergrundmusik. Der Moment der Wahrheit steht an. Wird der Blick in den Spiegel ein erfreuliches Ergebnis bringen? Der Künstler hat es wieder einmal geschafft. Sein Werk ist über die kritische Begutachtung erhaben. Ein Leben lang wird dieser dieses an seinem Körper tragen. „Ja klar hab ich auch schon mal Tattoos verkackt“ sagt der 29-jährige Tätowierer Christoph Hecker, der sich nun nach getaner Arbeit entspannt auf seine Barocke Couch fallen lässt.
The Times They Are A-Changin’
„Skurrile Story: Tattoo gemacht. Ich weiß gar nicht mehr was und wo. Ist auch egal. Ähm, ganz am Anfang. Und dann steht die auf und ich dachte: Oh, scheiße. Die geht jetzt da hin und fängt an zu heulen“. Ich fand’s halt komplett scheiße. Ich hab mir einfach nur gedacht: „Was ist das für n‘ Rotz?“ Und die geht hin und fängt an zu heulen. „Oh scheiße, dachte ich mir, ey jetzt kannst du hier so richtig einpacken.“ Und dann kommt die wieder und sagt so: „Boah, das ist so schön.“ Ne, echt jetzt? So weit gehen Wahrnehmungen auseinander.“
Seit den Anfängen, welche eben auch durch solche Missgeschicke geprägt wurden, ist jedoch bereits einiges an Zeit verstrichen. Heute blickt er anders auf die Abläufe seiner Arbeit. Vor allem Zeit spielt für den jungen Tätowierer eine bedeutende Rolle.
Die 2000er sind vorbei
Mit dem Namen „Hand aufs Herz“ haben der gelernte Mediengestalter und seine Kollegen bewusst versucht, sich vom Rest der stetig wachsenden Koblenzer Tattoo-Szene abzuheben. Aufgrund der hohen Dichte an Tattoo-Studios im Koblenzer Raum musste nach der Überlegung des Teams ein Name her, welcher sich von den üblichen, englischsprachigen Begrifflichkeiten unterscheidet. „Ich habe mir gedacht: Naja, wir sind ja hier auch in Deutschland – Wieso also nicht gleich auf Deutsch? Alles andere wäre denke ich auch nicht zeitgemäß. Die 2000er sind vorbei.“
Doch wie kommt es, dass die Menge an Tätowierern in den vergangenen Jahren so angestiegen ist? Und inwiefern passt Koblenz hierbei ins Bild? Auch hierfür liefert Christoph seine persönliche Erklärung:
Der Kunde ist König. Das gilt natürlich auch bei Tattoos. Doch auch bei der Motivwahl seiner Kunden behält sich Christoph vor, im Fall der Fälle ein Wörtchen mitzureden. Neben der selbstverständlichen Beratung seiner Kunden zieht er – wenn auch selten – klare Grenzen bei bestimmten Vorstellungen.
Bei den verschiedenen inspirativen Begegnungen mit Kollegen stieß der anstrebende junge Künstler während seiner Reise durch die Schweiz auf das skurrilste Motiv, das er bisher bestaunen durfte. Der “Genital-Drache”, welchen er zu Gesicht bekam, hat offenbar eine bleibende Erinnerung hinterlassen, sodass er voller Begeisterung von diesem berichtet.
Tattoo Must-Haves?
Bei der Frage nach Dingen, die er bei der Arbeit nicht missen möchte und braucht, antwortet er: “Musik muss sein. Kaugummi meistens auch. So, es hilft so irgendwie den Kopf abzuschalten und in so ‘nen Modus reinzukommen. Äh, was darf nicht fehlen? Vorher richtig ausgeschlafen sein muss ich sagen. Also, ich hab früher viel tätowiert mit Kater und so und früher viel Party gemacht und hab so dieses Tattoo-Ding abgefeiert so irgendwie. Aber mittlerweile finde ich das richtig behindert. Mittlerweile bin ich am liebsten ‘ne Stunde früher da tatsächlich oder hab irgendwie spätestens am Abend vorher, also allerspätestens am Abend vorher alles fertig. Beziehungsweise am allerliebsten ist es mir noch, wenn ich das Motiv komplett – Es gibt ja viele Leute, die dann einfach das nehmen, was der Kunde reinbringt. So, das hier hätte ich gerne. Ich drucke das kurz aus. Zack. Drauf gemacht und tätowiert.”
Die Zukunft
Es scheint alles so, als hätte der frühere Mediengestalter nach dem Berufswechsel seine Passion gefunden. Als Tattoo-Künstler kann er seiner Kreativität in einem für sich passenden Arbeitsumfeld freien Lauf lassen – frei von der schnöden Büro-Landschaft. Ob er seinem Weg treu bleibt und sich selber verwirklicht oder ob sich in der Zukunft andere Wege auftun bleibt abzuwarten.
“Ich nehme wie’s kommt. Ob ich das hier jetzt noch ewig mache? Ja vielleicht, vielleicht aber auch nicht – wichtig ist, dass ich es jetzt mache – und ich mag’s.”
Social-Media-Links zum Tätowierstudio “Hand aufs Herz” und seinen Künstlern:
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https://www.instagram.com/melgibsihm/?hl=de