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Zusammen gegen Lebensmittelverschwendung

Letitia Frohn und die Küche für Alle

Jede Sekunde landen ca. 313 Kilo noch essbare Lebensmittel im Müll. Obst und Gemüse werden aufgrund geringfügiger äußerer Makel verschwendet und weggeschmissen. Letitia Frohn, Mitbegründerin der Küche für alle (Küfa) in Koblenz, nimmt sich durch persönliches Engagement und ehrenamtliche Zusammenarbeit diesem Problem an.

Der Geruch von gebratenen Zwiebeln liegt in der Luft. An einem langen Tisch schneiden etwa ein Dutzend Menschen Paprika, Tomaten und Äpfel. Ein reges Gemurmel ist im Gange,  man reicht sich Schüsseln mit frisch geschnittenen Zutaten über den Tisch. In der kleinen Küche des JAM Club Koblenz arbeiten Letitia Frohn und ihr Team mit routinierten Schritten umeinander herum. Von der Vorbereitung bis zum Servieren wird jeder Handgriff mit Liebe und Hingabe ausgeführt. Für jede:n gibt es etwas zu tun. Aus den hohen Töpfen auf den Herdplatten steigt Dampf auf – die nächste Schüssel mit kochfertigem Gemüse kommt aus dem Vorbereitungsraum. Hier wird nicht nur gekocht, sondern ein Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung gesetzt. Jede Pfanne, Topf und Schüssel enthält gerettete Lebensmittel, die andernfalls im Müll gelandet wären. 

Aber schauen wir kurz zwei Stunden zurück. Noch ist es ruhig im JAM Club Koblenz. Die Küche ist noch leer, der Vorbereitungsraum wird mit Sonnenlicht durchflutet. Nur Letitia Frohn ist schon da. Die 25-Jährige setzt sich gemeinsam mit anderen engagierten Personen für eine Veränderung im Blick auf die Welt ein. Ihr Herzensprojekt Küfa hat nicht nur ihr eigenes Mindset verändert, sondern auch eine positive Auswirkung auf die Gemeinschaft. 

Als Koordinatorin und Ansprechpartnerin in der Küfa hat Letitia einen klaren Überblick über die Abläufe. Sie sorgt dafür, dass alles zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Ob es um die Annahme der Lebensmittel oder die Organisation von Freiwilligen geht, Letitia ist der Dreh- und Angelpunkt. 

Auch heute ist sie schon früh vor allen anderen da und wartet auf Lieferungen von der Tafel und Foodsharing. Mit diesen beiden Unternehmen arbeitet die Küfa hauptsächlich zusammen. Letitia ist dankbar für die Kooperation mit den beiden Firmen.

 “Es ist richtig toll, dass es so Sachen wie Tafel oder Foodsharing gibt, die die Lebensmittel vorher abgreifen, bevor sie im Müll landen. Wir wollen etwas Zusätzliches machen, das aus den Lebensmitteln noch etwas Solidarisches und Gemeinschaftliches macht.”
Letitia Frohn

Es klingelt an der Tür des Jugendzentrums

Die erste Lieferung des Tages kommt. Es sind Kartons mit Blattspinat, Karotten, roter und gelber Paprika, außerdem Unmengen an Salat – erst mal werden die Kartons im Flur gesammelt, bis alles da ist, damit das Küfa Team sich einen Überblick verschaffen kann. Die Lebensmittel von der Tafel (meist vegane Alternativ-Produkte) werden oft am Wochenende vorher von der Tafel abgeholt. Diesmal sind es knusprige, vegane Hähnchenfilets, die schon auf ihre Weiterverarbeitung warten.

Welche Lebensmittel genau geliefert werden, ist eine Überraschung. “Wir gucken einfach, was da ist”, lacht Letitia, während sie die zweite Lieferung entgegennimmt. Daraus leitet sich auch spontan ab, welche Vor-, Haupt- und Nachspeisen gekocht oder gebacken werden können. Eines ist jedoch sicher: es wird vegan. Ganz im Sinne der “Küche für alle” – das Konzept bezieht sich nicht nur auf die Menschen, die am Ende bei der Essensausgabe stehen, sondern auch auf die Ernährungsform. “Die vegane Ernährungsweise ist ziemlich niederschwellig, sodass auch wirklich jede:r mitessen kann”.

Die dritte und für heute letzte Lebensmittellieferung kündigt sich durch ein Klingeln an. Mit fast zwei Kisten Äpfeln, mehreren Bund Frühlingszwiebeln und einigen Schalen mit Blaubeeren ist das provisorische Lebensmittel-Zwischenlager im Flur komplett. Letitia staunt immer wieder über die Menge an noch genießbarem Essen. “Man versteht einfach nicht, warum es im Müll gelandet wäre”, gibt sie zu bedenken. 

Nun wird eine Bestandsaufnahme durchgeführt: Was ist da, was können wir daraus machen? Geliefert werden immer Obst und Gemüse. Grundlegende Zutaten wie Reis oder Nudeln, genau so wie Gewürze werden, wenn nötig, separat von Spendengeldern gekauft. Nach einigen Überlegungen steht das Menü fest – und das für ungefähr 100 Menschen.

Sobald alle Lebensmittellieferungen eingetroffen sind, kann mit der Verarbeitung und Vorbereitung angefangen werden. Einige Tische werden zu einer langen Tafel zusammengeschoben und genügend Stühle darum platziert. Wie viele Menschen zum Vorbereiten der Zutaten kommen, ist ungewiss. Ein paar Helfer:innen kommen regelmäßig, aber es gibt auch immer wieder neue Gesichter. Der lange Tisch wird mit Schneidebrettern, Küchenmessern und verschieden großen Schüsseln ausgestattet. Manches ist bereits im JAM Club vorhanden, manche Freiwillige bringen auch selbst Utensilien von zuhause mit.

Die ersten Helfer:innen trudeln ein. Eine herzliche Begrüßung und eine kurze Einweisung von Letitia später sitzen bereits ein dutzend Freiwillige an dem Tisch im Vorbereitsungsraum. Der Raum ist erfüllt mit Gemurmel und dem Geräusch von Schneidemessern auf Plastik-Brettchen. Man reicht sich Schüsseln mit frisch geschnittenen Zutaten über den Tisch.

Die Küfa ist nicht nur die Küche für alle, sondern auch von allen: Alles, was die Küfa betrifft, kann nur gemeinsam umgesetzt werden. Inzwischen ist das Team rund um Letitia schon gut organisiert. Aber gerade in der Anfangszeit gab es einige Steine, die aus dem Weg geräumt werden mussten.

Das betraf vor allem alles Organisatorische: das Team brauchte Bierzeltgarnituren, sammelte Teller und Besteck, Schüsseln und Küchenmesser. Man brauchte jemandem mit einem Auto, um alles zum Ausgabeplatz der Küfa am Pfarramt der Herz-Jesu-Kirche im Herzen von Koblenz zu transportieren.

Das Küfa-Team fragte im eigenen Freund:innenkreis und sammelte alles Stück für Stück zusammen. “Es läuft alles über die Fragen wer kennt wen, wer hat was?”, erzählt Letitia. So wird die Küfa seit Oktober 2022 auf die Beine gestellt.

Das Konzept Küfa basiert auf einem solidarischen Konstrukt, in dem verschiedene Menschen und Organisationen unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Ohne die Tafel und Foodsharing gäbe es keine Lebensmittel, ohne die Uni Koblenz würde es keine Tische oder Bänke geben, ohne andere freiwillige, ehrenamtliche Helfer:innen würde es die Küfa gar nicht geben. Obwohl der “selfmade”-Charakter bei der Küfa sehr ausgeprägt ist, ist es ein Ziel des Teams, in Zukunft etwas unabhängiger zu werden. “Es wäre manchmal etwas stressfreier, wenn man manche Dinge einfach zur Verfügung hat”, überlegt Letitia. Dennoch klappe immer alles irgendwie.

Mittlerweile liegen verschiedene Gerüche in der Luft: die Zwiebeln werden bereits angebraten, im Ofen brutzeln die veganen Hähnchenschnitzel. Das Bananenbrot wurde gebacken, der Reis ist am quellen und hier und da wird noch etwas nachgewürzt. Das Küfa-Team arbeitet mit routinierten Schritten umeinander herum und aus den großen Töpfen steigt Dampf auf, der die kleine Küche erfüllt. Das Gemüse-Curry wird langsam aber sicher fertig gekocht.


Bald schon kann mit der Ausgabe begonnen werden. Die ersten großen Schüsseln mit Paprikasalat werden von den Helfer*innen raus auf den Platz vor der Herz-Jesu-Kirche getragen. Dort wurden einige Biertische, Heizplatten und ganz viel Geschirr aufgebaut. Alles ist entweder gespendet oder wird ausgeliehen, um diesen Abend gemeinsam auf die Beine zu stellen. Große Töpfe mit dampfendem Curry, Reis und veganen Alternativen wie auch der Nachtisch werden nun ebenfalls zur Ausgabestelle getragen.

Ein paar Menschen stehen schon neugierig wartend an der Ausgabestelle. Langsam beginnt sich eine Schlange zu bilden. Es lassen sich die unterschiedlichsten Menschen erkennen und alle warten auf eine leckere Mahlzeit. Überall hilft jemand mit. Die einen geben Salat und das Hauptgericht aus, die anderen Brot und Brötchen, welche nicht verkocht werden konnten, aber hier eine weitere Verwendung finden. Auf der anderen Seite des Platzes stehen Stühle mit Kisten voller übriger Lebensmittel und jede Person kann nehmen, was sie benötigt. Im Haus der katholischen Hochschulgemeinde direkt neben der Ausgabestelle wird das Klappern der Teller und das Stimmengemurmel immer lauter. In dieser kalten Jahreszeit werden auch diese Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, um darin gemeinsam zu essen und sich auszutauschen. Bevor jemand einen Nachschlag bekommt, wird darauf geachtet, dass jede Person in der Schlange einen vollen Teller bekommen hat.

Das ist wohl der Herzgedanke der Küfa: Gemeinsam mit Menschen, mit denen man Interessen teilt, die ähnliche Werte haben wie man selbst, viel schaffen und zwar mit den Ressourcen, die schon da sind. Seien es Lebensmittel, alte Schüsseln oder Besteck – man soll nicht wegschmeißen, was noch gut ist, was man noch verwenden kann. Der Fokus liegt nicht nur auf Lebensmittelverschwendung und Ressourcenschonung, sondern auch auf dem Gemeinschaftsgedanken. Letitia wünscht sich, dass das Konzept der Küfa auch in anderen Städten verbreitet wird. Je mehr Menschen davon erfahren und sich vielleicht selbst berufen fühlen, so etwas in ihrer Stadt auf die Beine zu stellen und/oder zu unterstützen, desto besser. Wer noch zögert, für den hat Letitia abschließend einen guten Rat:

“Zusammen schafft man mehr. Man braucht manchmal einfach nur ein bisschen Mut, sich zu trauen”

von Maya Dürr und Kathi Hopf

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