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Sei so mutig wie Merida

Merida ist die mutige und unabhängige Protagonistin des Disney-Films „Brave“. Der Verein Merida e.V. hat sich nach dieser Filmfigur benannt. Auch die Frauen dieses Vereins wollen mutig sein, um sich für andere einzusetzen und ihnen zu helfen. Ähnlich wie Merida trotzen sie bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit kulturell bedingten Herausforderungen.

Es ist warm …

… in der Luft liegt der Geruch nach frisch gebackenem Blätterteig und Plätzchen. Ein langer gedeckter Tisch und der Vereinsraum sind geschmückt in weihnachtlicher Dekoration. Mittendrin: Songül Erdem. Sie ist mit neun Jahren nach Deutschland gekommen, ein ihr damals fremdes Land. In den letzten 50 Jahren musste sie sich dabei an eine völlig neue Kultur und Umgebung gewöhnen. Nun möchte sie andere Frauen dabei unterstützen, in Deutschland Fuß zu fassen. Als Mitbegründerin und Gesicht des Merida e.V. in Sinzig, kämpft sie für kulturelle Annäherung zwischen Frauen verschiedener Herkünfte. Ihr ehrenamtliches Engagement bringt Herausforderungen, aber auch Schwierigkeiten mit sich, die sie mit ihrer weltoffenen Art und Nächstenliebe souverän handhabt.

Heute findet im Vereinsraum des Merida e.V. ein Zusammentreffen statt, das unter dem Motto der kommenden Weihnachtszeit steht. Die Vorbereitungen für den Abend beginnen. In der Mitte des Raums steht ein langer Tisch, der von zwei Vereinsmitgliedern mit Tellern und Besteck gedeckt wird. Eine weitere Person faltet und beschriftet kleine Weihnachtskarten. Andere Teilnehmerinnen des Abend sind gerade dabei Plätzchen für den Abend zu backen. Ein paar haben selbst gemachte Speisen mitgebracht, die nun wie ein Art Buffet aufgestellt werden.

Das ist Songül Erdem: 

Im Jahre 1978 kam Songül Erdem mit ihren Eltern nach Deutschland. Der Tag der Einreise war genau auf den Geburtstag der neunjährigen Songül gefallen. Deutschland, so sagt sie, war ihr Geburtstagsgeschenk. Ein Geschenk, das eine neue Welt und Chancen versprach. Sie schloss eine Ausbildung ab und arbeitete 15 Jahre lang als Arzthelferin.

Was mit einem Amt im Elternbeirat begann, ist nun eine mehr als 20 Jahre bestehende Leidenschaft, die darin besteht, sich für andere einzusetzen. 2007 begann sie Sprachkurse im Sinziger Haus der offenen Tür (HoT) zu geben, ein Projekt, das sie acht Jahre lang begleitete und auch heute wieder aufgenommen hat. Für sie war es immer selbstverständlich, sich für ihre Heimat, die Stadt Sinzig, einzusetzen. So auch als die Stadt Sinzig 2009 den ersten Beirat für Migration und Integration einrichtete, Songül ließ sich zur Wahl aufstellen und bekleidete bis 2014 das Amt.

Der letzte Teller wird auf den Tisch gestellt, die Tür wird aufgestoßen und weitere Teilnehmerinnen trudeln ein. Sofort eilt Songül den Frauen entgegen, um sie angemessen im Namen des Vereins zu begrüßen.

Mit Plätzchen, Börek und Tee ins Weihnachtsfest

Während des Abends findet man Songül Erdem immer inmitten des Geschehens. Sie ist auch die erste Person, die herzlich eine Frau begrüßt, die zum ersten Mal an einer Veranstaltung von Merida e.V teilnimmt. Auch in der Öffentlichkeit ist Songül Erdem eine Art Aushängeschild für den Verein. Sie sorgt als ein vertrautes Gesicht dafür, im Namen des Vereins mit verschiedenen Institutionen zu kommunizieren. Sie trägt maßgeblich dazu bei, dass sich neue Mitglieder direkt wohlfühlen und sich immer wieder neue Unterstützer für den Verein finden.

Im weiteren Verlauf des Abends schauen sich alle Teilnehmerinnen gemeinsam einen Film an. Die Vergangenheit, Gegenwart und gemeinsame Zukunft zur Weihnachtszeit sind die zentralen Themen in der auf den Film anschließenden Diskussion. Die älteste Generation der in Deutschland geborenen Frauen verbindet mit Weihnachten ihre Kindheit und den christlichen Feiertag, der mit Kirche und Besinnlichkeit assoziiert wird. Für die junge Generation dieser Gruppe war es hingegen normal, teure Geschenke zu bekommen und die Themen Kirche und Besinnlichkeit standen eher weniger im Fokus. Einige von ihnen feiern Weihnachten hingegen gar nicht mehr.

Die Frauen, die im Laufe ihres Lebens nach Deutschland gezogen sind, gehören alle dem Islam an. Sie alle sind der Tradition von Weihnachten erst in Deutschland begegnet. Viele von ihnen berichteten, dass ihnen bewusst ist, dass Weihnachten eine besinnliche Zeit für ihre Freunde und Nachbarn ist. Daher schenken einige von ihnen anderen Menschen zu Weihnachten kleine Geschenke, um die Religion und Kultur des Gegenübers wertzuschätzen.

Auszeichnungen für das soziale Engagement

Fünf Jahre nach der Vereinsgründung wurden die Stadt Sinzig sowie die ganze Region auf die Probe gestellt. Das Hochwasser des Jahres 2021 forderte allein im Kreis Ahrweiler 188 Todesopfer und tausende Menschen verloren ihre Lebensgrundlage. Schon am ersten Tag der Katastrophe begann Merida e.V. Helfer und Betroffene mit Essen zu versorgen. Innerhalb der kommenden Wochen richteten sie eine Kinderbetreuung und eine Hilfsstelle ein, an die man sich wenden konnte für Fragen rund um Versicherungsfälle. Der Verein war in dieser Zeit zentral für den Erhalt der Stadt Sinzig und der Region. Für diesen Einsatz wurde der Verein 2021, gemeinsam mit dem HoT Sinzig, mit dem Deutschen Dialogpreis in der Kategorie Soziales Engagement geehrt. Ein Jahr später erhielt Songül persönlich eine Auszeichnung, den Ehrenamtspreis der Stadt Sinzig, welcher 2022 erstmalig verliehen wurde.

Das Leuchten der Kerzen erlischt, die Plätzchen sind gegessen und der Tee ist kalt. Die erste Person erhebt sich und will sich verabschieden, als Songül aufspringt und in einen anderen Raum geht. Sie kommt zurück mit einem Korb voller kleiner Päckchen, die sie verteilt. Darin befinden sich Plätzchen und ein paar weihnachtliche Kleinigkeiten. Ein kleines Dankeschön, sagt sie, für den gemeinsamen Abend und den Austausch. Nach und nach verlassen die Teilnehmerinnen die Wärme des Vereins und treten raus in die Kälte der Dezembernacht.

Songül über das Ehrenamt:

Wer ehrenamtlich tätig ist arbeitet, ohne eine finanzielle Vergütung zu bekommen. Das Ziel dabei: sich aktiv in der Gesellschaft einzubringen. Sei es, um gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen oder die Lebensbedingungen hilfsbedürftiger Menschen in der unmittelbaren Umgebung zu verbessern. Die Motivation, sich ehrenamtlich zu engagieren kann von Person zu Person variieren. Doch eines haben alle ehrenamtlichen Tätigkeiten gemeinsam: Sie basieren auf Freiwilligkeit.

Songül erzählt, dass die wichtigste Eigenschaft, die jemand für ehrenamtliches Engagement mitbringen sollte, die Nächstenliebe ist. Ehrenamtliche Arbeit wird nicht für persönliche Anerkennung oder Auszeichnungen geleistet, sondern aus der Überzeugung heraus, anderen ohne Erwartung einer Gegenleistung zu helfen. Sie ist davon überzeugt, wenn man etwas für andere tut, wird man im Gegenzug auf eine Weise belohnt, die weit über materielle Dinge hinausgeht. Deshalb möchte sie jungen Menschen die Möglichkeit geben, sich ehrenamtlich zu engagieren und diese wertvollen Erfahrungen selbst zu sammeln.

Hier noch ein paar Eindrücke vom Abend:

Ein Beitrag von Alissa Lehmann, Lilith Wandel und Nadine Becker 

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