Die Bergwacht ist Teil des Deutschen Roten Kreuzes und stellt einen Rettungsdienst innerhalb Deutschlands dar. Zu jeder Tageszeit stehen Ehrenämtler bereit, um Menschen aus unwegsamen Gelände zu befreien. Eine konkrete Vorstellung darüber, was eine Bergwacht aber genau macht, ist oft unklar.
Das Notrufsignal wird abgesetzt. Zeitgleich wird der Standort des Verunglückten weitergegeben, der aus fünf Metern Höhe stürzte. Er befindet sich in einer schmalen und schwer zu erreichenden Grube. Vor Ort fährt ein robuster Geländewagen vor, darauf das Logo der Bergwacht. Unter den Mitfahrern befindet sich auch Tim Lanz (26). Gemeinsam mit drei Kollegen und einer Fülle an Rettungsausrüstung begeben sich die Freiwilligen zur Grube. Nach einer intensiven Einschätzung der Lage geht es an die Arbeit. Der Patient muss mit einer Gebirgstrage aus dem Bereich transportiert werden. Danach erfolgt der Transport mit einem Rettungshubschrauber zum Krankenhaus.
So erzählt Tim Lanz, wie dieser schnelle und dennoch präzise geplante Einsatz spektakulär wirkt. Dies stellt aber nur oberflächlich dar, was die Bergwacht genau macht. Heute wird ein näherer Blick hinter die Kulissen gewagt. Ausführlich stellt Tim alle Bestandteile seiner ehrenamtlichen Arbeit dar.

Seit dem Jahre 2016 ist Tim Lanz aktives und ehrenamtliches Mitglied der Bergewacht in Ettringen.
Diese Ortsgemeinschaft befindet sich in Rheinland-Pfalz, genauer im Kreis Mayen–Koblenz. Neben den deutlich bekannteren Teilen des DRKs bergt die Bergwacht Menschen aus dem unterschiedlichsten Terrain.
Der erste Gedanke an Berge oder Klippen ist dabei sehr kurz gedacht.
In die Aufgaben der Bergwacht in Ettringen fallen unter anderem die:
- Luftrettung: Der Transport von verunglückten Personen per Hubschrauber. Aktuell sind 89 von diesen in Deutschland aktiv. Hierbei werde Patienten beispielsweise unmittelbar zu Krankenhäusern gebracht.
- Höhen- und Tiefenrettung: Personenrettung von hochgelegenen Orten (Seilbahnen, Häusern, Bergen etc.) und von sehr niedrig gelegenen Orten (Löchern, Gruben, Hangklippen etc.)
- Geländerettung: Bei diesen Gebieten handelt es sich um Orte, die einen spezifischen und geplanten Zugang benötigen. Vorkommen können Sie in vielen Formen, zum Beispiel als Waldbereiche oder Sümpfe. Oftmals sind diese nicht mit regulären Rettungswägen zu erreichen.

Die Bergwacht in Deutschland und der Verein in Ettringen
Deutschlandweit gibt es 11 dem DRK angehörige Bergwachttrupps. Gemeinsam betreuen Sie insgesamt 24 unterschiedliche Gebiete, darunter Wälder, Berge und Gebirge. Innerhalb dieser Gebiete sind 13.000 Menschen jährlich und 1.083 pro Monat auf die Bergwacht angewiesen. Innerhalb der letzten zwei Jahre wurden hier ca. 10 Einsätze pro Jahr erfolgreich bestritten. Glücklicherweise hat das Jahr 2024 noch keinen Einsatz der Bergwacht in Ettringen gefordert. Auch wenn diese Zahl vermeintlich gering erscheint, repräsentiert sie nicht nur Einsätze, sondern auch Herausforderungen.
Dabei geht es nicht nur um die Einsätze im speziellen. Über 50 % der Einsätze finden entweder im Wintersport oder auf Skipisten statt. Für viele Menschen stellen solche eisigen Temperaturen schon eine enorme Hürde dar. Für die Einsätze der Bergwacht ist der Frost fast schon ein alltäglicher Begleiter geworden.

Auch wenn die Bergwacht eine Untergruppierung des DRKs ist, hat jede Bergwacht ihre Gründungsgeschichte. Wie es dazu gekommen ist, dass in Ettringen eine Bergwacht entstanden ist, erzählt Tim.
Ein ehrenamtliches Mitglied im Interview
Diese Vorstellung ist nicht alles, was Tim über die Bergwacht berichtet. Grundsätzlich kann man die Zuständigkeiten und diversen Bergwachttrupps gut grafisch wiedergeben. Was das konkrete Ehrenamt der Bergwacht bedeutet und was mit dieser Arbeit einhergeht, eher nicht. Abläufe, Voraussetzungen, Ausrüstung, Übung und noch viele weitere Aspekte sind feste Bestandteile der Bergwacht. All diese Dinge erzählt Tim im Interview aus erster Hand.
Tim, wie kommt es überhaupt dazu, dass Personen auf einen Einsatz der Bergwacht angewiesen sind?
‚‚Also für unseren Bereich kann ich sagen, dass es sich hier hauptsächlich um Unfälle im Out-Door Bereich handelt.”
‚‚Zum Beispiel der gestürzte Mountain Biker oder in unseren Klettergebieten der gestürzte Kletterer. Manche Personen haben sich aber auch beim Wandern einfach nur den Knöchel verstaucht. Unachtsamkeit oder Fahrlässigkeit haben zumindest bei uns noch keinen Einsatz ausgelöst.”
‚‚Wenn jemand verunfallt ist und der Leitstellenverantwortliche entscheidet, dass hier der Einsatz der Bergwacht nötig ist, dann alarmiert er uns ganz ähnlich wie die Freiwillige Feuerwehr. Jeder von uns hat eine entsprechende Alarm-App auf dem Handy. Die meisten von uns haben einen Fernmelder, der auch entsprechend auslöst. Dann reagieren diejenigen, die Zeit haben und in der unmittelbaren Nähe sind.”
Nehmen wir mal an, es würde zu einem solchen Unfall kommen. Was spielt sich bei euch ab, bevor ihr überhaupt ausrückt?

Wie sieht das denn mit der Bereitschaft und dem Fernmelder aus? Ist er immer aktiv und kann zu jeder Zeit ausschlagen?
‚‚Das kann prinzipiell immer 24/7 passieren, egal welcher Tag, egal welche Uhrzeit. Natürlich kann man auch nur einen Einsatz fahren, wenn man in der Nähe ist und auch Zeit hat. Aber theoretisch gesehen kann immer ein Unfall passieren, der uns alarmieren könnte.”
‚‚Dadurch, dass wir eine relativ große Gruppe sind, müssen wir nicht ständig bereitstehen. Von den 30 Personen benötigen wir mindestens 5, um einen Einsatz durchführen zu können. Dadurch verteilt sich die Arbeitslast ganz gut. Trotzdem muss man natürlich auch die Bereitschaft haben, regelmäßig zu Übung zu erscheinen und entsprechende Übungsstunden nachweisen zu können.“
Also steht Ihr unter einer ständigen Bereitschaft?

Aktive Mitglieder müssen nicht nur die Helfergrundausbildung des DRK durchlaufen. Zusätzlich dazu muss eine 80-stündige Grundausbildung im Bereich der Bergwacht abgeschlossen werden. Insgesamt müssen 42 Übungsstunden jährlich nachweisbar sein.

Die Übungsstunden, Ersthelfergrundausbildung und Weiterbildung sind das Fundament für die Arbeit in der Bergwacht. Sie stellen sicher, dass solche Einsätze koordiniert und sicher durchgeführt werden können.
Nicht immer findet eine Übung im Out-Door-Bereich statt. Natürlich stehen auch hier Theoriestunden auf dem Plan. Diese Gruppenabende reichen von Theoriewissen bis hin zu kleineren Praxisbeispielen.
Der Ernstfall tritt ein: Die Bergwacht muss ausrücken
Wird die Bergwacht zu einem Einsatz hinzugezogen, dann beginnt der Einsatz. Natürlich müssen diese zunächst den Einsatzort samt Ausrüstung erreichen. Hierbei ist es nicht nur wichtig anzukommen, sondern auch die Einsatzlage schnell abschätzen zu können.
‚‚Im konkreten Einsatzfall haben wir zwei Fahrzeuge, die wir hauptsächlich nutzen. Einmal einen Mannschaftstransportwagen mit dem wir schnell das Personal und das Einsatzmaterial zur Einsatzstelle bringen können.”
‚‚Dann haben wir einen Rettungswagen auf Unimog-Basis, der dann auch den Verunfallten aus dem Gelände raustransportieren kann. Im Normalfall rückt dieser immer mit aus und gibt uns die Möglichkeit, sowohl die Patienten aus dem Gelände zu befördern als auch schon zu behandeln.”
‘Unimog’ ist eine Abkürzung für ‘Universal-Motor-Gerät’. Im Gegensatz zu herkömmlichen Krankenwagen, sind diese massiven Geländewagen perfekt zum Befahren von unwegsamen Gelände. Ohne die Möglichkeiten, die der Unimog den Rettern bietet, würde die Arbeit enorm limitiert werden. Dies natürlich zu Lasten der verunglückten Personen.
Glücklicherweise werden gemeinsam mit dem Notruf auch die GPS-Koordinaten weitergegeben. Somit kann der Verunglückte ohne größere Suchaktionen aufgesucht werden. Wird kein Signal abgesendet, müssen sich die Retter auf Ihre eigenen Kenntnisse im Gelände verlassen. Im schlimmsten Falle wird die „Rettungskarte Forst“ genutzt. Hierbei handelt es sich um Karten, die von Förstern über den Forst angefertigt werden. Über grobe Angaben lässt sich so der Standpunkt über Planquadrate einteilen und näher bestimmen.
‚‚Wenn wir an der Einsatzstelle antreffen, dann müssen wir natürlich zuerst mal die Einsatzstelle an sich beurteilen können.”
- Wo bestehen Gefahren und wie sehen diese aus?
- Wo genau befindet sich die verunglückte Person und ist der Ort beschaffen?
- Wie genau können wir die Person erreichen? Muss ich mich abseilen oder kann ich zu Fuß eintreffen?
- Welcher Rettungsweg ist hier jetzt schnell, ausführbar und vor allem patientengerecht?
- Komme ich auf den gleichen Weg wieder zurück, den ich zur Person genommen habe? Muss ich gegebenenfalls eine Ersatzroute einplanen?
- Kann ich mit der Seiltechnik wieder nach oben seilen, falls es nötig ist?
‚‚Zunächst hat die Versorgung der verunglückten Person oberste Priorität. Sobald Ort, Patient und Gegebenheiten geklärt sind, können wir uns der Rettung widmen. Dies muss, wie die Sichtung der Umgebung, auch geplant ablaufen“
Kein Ziel ohne Mittel: Die Ausrüstung der Bergwacht
Die Bergwacht greift auf ein Arsenal an Ausrüstung zurück, um ihr Ehrenamt ausüben zu können. Mit dieser haben Sie zahlreiche Möglichkeiten, die Rettung durchzuführen. Oftmals gibt das Werkzeug überhaupt erst die Möglichkeit, diese Rettungen zu gestalten. Zum Beispiel können Rettungswindeln und Rettungsliegen zwei verschiedene Arten eines patientengerechten Transports gewähren.
Die Rettungswindel wird für Fälle verwendet, in denen ein schneller Transport oberste Priorität hat. Mit einem Träger kann die Person entweder mit einem Flieger oder einem Seil verbunden werden.
Rettungstragen eignen sich dafür, einen Patienten aus stark bewachsenem und unebenen Gelände zu transportieren. Sie sind aufblasbar und wärmespendend für den Patienten.
Bei diesen zwei Gadgets handelt es sich aber nur um einen Bruchteil der Ausrüstung. Die Bergwacht verfügt über ein gesamtes Sortiment an Werkzeugen, die sie bei ihren Aktionen nutzen. Gemeinsam mit Übungsstunden und der Planung stellt diese Ausrüstung unverzichtbaren Bestandteil dar. Ohne das entsprechende Werkzeug würden diese Rettungsaktionen nahezu unmöglich und auch um einiges gefährlicher werden.
„Wir haben mehrere Rucksäcke, in die das ganze Einsatzmaterial aufgeteilt ist. Die wiegen im Schnitt 15 Kilo pro Rucksack. Damit wir auch genug Material zur Verfügung haben, nehmen wir von den Säcken ungefähr 6 Stück mit. Dazu kommt noch das eigene Material, das jeder von sich mitbringt. Damit sind wir schon bei knapp zusätzlich 10 Kilo Gewicht.“
In der Bergwacht wird eine diverse Menge an unterschiedlichstem Einsatzmaterial verwendet. Von Seilen mit Karabinern über Helme bis hin zu Seilwinden erfüllt alles einen Zweck. Dennoch ist dieses Material definitiv nicht günstig. Der Gesamtwert der grundlegenden Ausrüstung liegt bei ca. 16.000€, wobei es natürlich auch Ausnahmen gibt.
Die Seilwinde im schwarzen Koffer (s. Bild 2) erreicht alleine schon einen immensen Wert von 25.000€. Darüber hinaus muss defekte, beschädigte oder zu alte Ausrüstung auch ersetzt werden. Da fallen nochmal knapp 9.000€ auf die 16.000€ auf. Diese 25.000€ Euro für das reine Material stehen jedoch nur für jenes innerhalb der Bergwacht.
‚‚Das eigene Material kann sich jeder so kaufen, wie man es benötigt, oder wie stark man tatsächlich Interesse daran hat, noch mehr zu besitzen. Mein eigener Gurt hat zum Beispiel einen Wert von so ca. 1500€. Vieles davon ist auch gesponsert oder von Turnieren, trotzdem hab ich hier auch eine Eigenbeteiligung von knapp 800€.”
Auch wenn diese Summen zunächst vielleicht sehr hoch wirken, sind sie nicht unbegründet. Billiges oder auch nur leicht defektes Material hat keinen Platz in der Bergwacht. Dies gefährdet nicht nur den Erfolg des Einsatzes, sondern auch die Sicherheit der Bergretter. Ein angerissenes Seil oder ein Karabiner, der sich nicht vollständig schließt, können fatale Folgen tragen. Solches Material hat seine Geschichte geschrieben. Seine Narben sollten keine weiteren Geschichten beeinflussen.
Das Ende des Einsatzes – Nicht immer ein Happy Ending
Die Bereitschaft der ehrenamtlichen Personen, die Ausrüstung und der Verein stellen dennoch keine Erfolgsgarantie da. Nicht jeder Einsatz endet mit einer erfolgreichen Rettung, sondern auch mit dem Tod. Unrealistisch ist dieses Szenario nicht. Dennoch: Die wenigsten Einsätze enden mit so einem tragischen Ende. Ungeachtet dessen ist dieses Resultat eine Möglichkeit, die die Ehrenamtlichen immer mit einbeziehen müssen.
‚‚Leider hatten wir schon Einsatzlagen, bei denen der Patient so schwer verletzt war, dass er vor Ort verstorben ist.”
‚‚Man muss ein Fazit für sich draus ziehen und schauen, was man anders oder besser machen könnte.”
~Tim Lanz

Falls so eine Situation eintritt, dann werden die Ehrenamtlichen nicht damit alleine gelassen. Auch wenn es keine weitere Bearbeitung mit dem Toten gibt, hinterlässt so ein Erlebnis Spuren. Nachbereitungen und Gespräche werden ihnen selbstverständlich angeboten, um das Vorkommnis zu verarbeiten. Dabei werden nicht nur Gruppengespräche unmittelbar nach dem Einsatz geführt. Es besteht zusätzlich immer die Option Außenstehende in solche Gespräche mit einzubeziehen.
‚‚Wenn es zu so einer Situation kommen sollte, dann steht im ersten Schritt die Versorgung der Personen, die noch anwesend sind, für uns an erster Stelle. Die Polizei vermittelt in einem solchen Fall den Hinterbliebenen den Tod der Person und betreut die nicht Anwesenden der verstorbenen Person.”
In unserem Fall ist es zum Glück nicht dazu gekommen. Angekommen mit dem Mannschaftswagen wird die Einsatzlage eingeschätzt. Mit Seilen und Karabinern zum Einhaken können sich die Ersthelfer zu dem Patienten abseilen. Dann kann die Transportkette ideal ablaufen. Mithilfe einer Rettungstrage über den Geländewagen zum Rettungshubschrauber und schließlich ins Krankenhaus.
Und hier ist sie wieder: Die sehr spektakuläre und trotz dessen oberflächliche Ebene dieses Ehrenamtes. Hinter den Kulissen sehen wir die Entstehung des Vereins nicht. Wir sehen nicht den Trainings- und Ausbildungsaufwand, der erbracht werden muss. Wir sehen nicht die Kosten und den Aufwand, die Ausrüstung zu beschaffen und instand zuhalten. Wir sehen nicht die Personen, die ihre Zeit und Mühen in dieses Ehrenamt stecken. Wir sehen nicht, dass Rettende auch Fehlschläge erleiden, die sie verarbeiten müssen.
Wie die vielen anderen Ehrenämter ist die Bergwacht viel tiefgehender als sie wahrgenommen wird. Es lohnt sich, einen Blick auf den unermesslichen Aufwand hinter der Oberfläche zu werfen. Wohingegen der Blick auf die Ehrenämtler dabei wohl der zentralste ist. Ohne die Bereitschaft dieser Personen wäre jedes Stück an Ausrüstung, Planung und Training zwecklos.
Die Bereitschaft, sich als ehrenamtliche Person dieser Arbeit anzunehmen, gebürgt einem klaren: “Ein Hoch auf das Ehrenamt”.
Hier gibt es weiterführende Links über den Verein in Ettringen:
https://www.facebook.com/ettringen.drk/?locale=de_DE
https://www.instagram.com/drk_ettringen/
Vielen herzlichen Dank an den Bergwachtverein in Ettringen und Tim Lanz für das Bereitstellen Ihrer Zeit und dem Zugang zur Ortsgemeinschaft













