Was macht eigentlich … eine Gleichstellungsbeauftragte?

Dr. Tanja Gnosa ist hauptamtlich Lehrende im Bereich Sprachwissenschaft am Institut für Germanistik. Zudem ist sie als Gleichstellungsbeauftragte des Fachbereichs tätig. Am 1. April dieses Jahres tritt sie das Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten der Universität und somit die Nachfolge Helga Arends an.

Prekäre Arbeitsbedingungen für Wissenschaftlerinnen

Im Anschluss an das Studium der Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Betriebspädagogik an der RWTH Aachen erhielt Tanja Gnosa eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Bereits ein Jahr später emeritierte ihr Vorgesetzter und die junge Wissenschaftlerin musste sich um eine neue Anstellung bemühen. Mit einer halben Stelle und der Perspektive auf eine eineinhalbjährige Anstellung startete Tanja Gnosa 2010 am Koblenzer Institut für Germanistik. „Und da sind wir auch schon mitten im Thema“, gibt Tanja Gnosa zu bedenken. „Befristete Stellen, halbe Stellen, das ist gang und gäbe im Wissenschaftsbetrieb. Für eine selbstständige Lebensplanung ist das fatal und die Situation gerade für Wissenschaftlerinnen prekär.“ Durch die Arbeit im Ada-Lovelace-Projekt, dessen Ziel es ist, junge Mädchen und Frauen für MINT-Berufe zu begeistern, kam Tanja Gnosa 2011 erstmals mit Genderfragen und Genderpolitik in Berührung. 2017 wurde sie zur Mittelbauvertreterin und Gleichstellungsbeauftragten des Fachbereichs gewählt. „Zu dem Posten kam ich sozusagen wie die Jungfrau zum Kinde. In der konstituierenden Sitzung des neuen Fachbereichsrats stand die Frage im Raum, wer sich bereit erklärt, Gleichstellungsaufgaben zu übernehmen. Dann zeigten plötzlich einige Finger auf mich, ich überlegte kurz und gab mein Okay. Da ich mich in Fragen der Geschlechtergerechtigkeit als Vertreterin aller Statusgruppen verstehe, der wissenschaftlichen wie nicht-wissenschaftlichen wie studentischen, ergänzten sich die beiden Posten ganz gut.“

 „Eine dezentrale Gleichstellungsbeauftragte sucht sich im positiven Sinne ihre Arbeit selbst.“

Der Stellenwert des Gleichstellungsparagrafen hat in den letzten Jahren an Relevanz gewonnen. Das Einsetzen von Gleichstellungsbeauftragten ist im Hochschulgesetz verankert; ihr Einbezug gehört an der Universität zum notwendigen Verfahren etwa bei Einstellungen. „Die Einstellungsverfahren stellen den Löwenanteil meiner Arbeit dar. Es ist eine sehr aufwendige und zeitintensive Arbeit, bis eine Stelle besetzt ist. Hier können wir aber auch viel bewegen, so stieg der Professorinnen-Anteil auf 39 Prozent.“ Von Gleichberechtigung kann aber noch keine Rede sein. Der Frauenanteil nimmt auch am Campus Koblenz mit Blick auf die Statusgruppen nach oben hin deutlich ab. In Sachen Gleichstellung ist also noch viel zu tun. „Eine dezentrale Gleichstellungsbeauftragte sucht sich im positiven Sinne ihre Arbeit selbst. Das bedeutet, in jedem Zusammenhang zu versuchen, die Genderperspektive in den Blick zu nehmen, und zwar sowohl in den Heiminstituten, aber auch in den Ausschüssen und Gremien.“ Die Gleichstellungsbeauftragte ist automatisch beratendes Mitglied des Senatsausschusses für Gleichstellungsfragen, eine Art Sammelstelle für Gleichstellungstätigkeiten am Campus, die auch konkret auf Anfragen etwa aus dem AStA-Referat „Gender und Queer“ reagiert. Zudem muss alle sechs Jahre ein neuer Gleichstellungsplan aufgesetzt werden, der Statistiken, Entwicklungslinien und Perspektiven für eine geschlechtergerechte Universität aufzeigt. Mit der eigenständigen Universität Koblenz ab dem 1. Januar 2023 steht auch die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten an einem Wendepunkt. Bei der Ausgestaltung der neuen Strukturen sollte Gleichstellung ein zentrales Element darstellen, etwa mit Blick auf die neue Grundordnung, die zum einen eine Form von Selbstverpflichtung ist und zum anderen ganz konkret Rechte einklagbar macht. „Mir wäre es wichtig für die neue Universität, die Gleichstellung noch stärker institutionell zu verankern. Und das heißt unter anderem auch, dass dezentrale Gleichstellungsbeauftragte für ihre Arbeit wertgeschätzt werden.“ Das Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten wahrzunehmen, bedeutet gleichsam, die eigene Forschung und wissenschaftliche Laufbahn hintanzustellen. Um in diesem Amt dann auch wirklich etwas bewegen zu können, braucht man Ressourcen, zum einen für gleichstellungsfördernde Maßnahmen und Projekte, zum anderen ein engagiertes Team. „Gleichstellung darf nicht nur angesehen sein, wenn sie nichts kostet und keine Reibungen verursacht. Es ist leider immer wieder zu beobachten, dass mit viel Engagement erfolgreiche Strukturen aufgebaut werden, die verpuffen, sobald die Förderungen auslaufen. Dem sollte entgegengewirkt werden.“

„Ich ärgere mich vor allem über Leute, die sich immer nur ärgern und nichts tun.“

Tanja Gnosa hat sich als Studentin nie als benachteiligt wahrgenommen. Das Bewusstsein sei erst mit der Zeit gewachsen. „Ich ärgere mich oft. (lacht) An vielen Stellen.“ Der Unmut, so erzählt sie, sei noch größer geworden, als sie sich in ihrem Seminar zu Sprache und Geschlecht auch in der Lehre mit feministischen Positionen auseinandergesetzt habe. „Ich ärgere mich vor allem über Leute, die sich immer nur ärgern und nichts tun. Und deswegen mache ich das gerne, freu mich über die Aufgabe und freue mich vor allem auch über das Vertrauen des Senatsausschusses für Gleichstellungsfragen, der mich nominiert hat, und des Senats, der mich einstimmig gewählt hat. Diesem Vertrauensvorschuss werde ich versuchen gerecht zu werden.“ Gleichstellungsarbeit ist nicht Gender Studies und auch wenn Chancengleichheit nicht nur die Berücksichtigung mindestens zweier Geschlechter betrifft, sind der Funktion der Gleichstellungsbeauftragten hier auch Grenzen gesetzt. „Es sind lange Wege, bis diese Diskurse Einzug halten und institutionalisiert werden.“ Aber auch wenn die Etablierung einer „Diversity-Beauftragten“ noch Zukunftsmusik ist, versucht Tanja Gnosa ihre Arbeit in Sachen Gleichstellung hartnäckig, weitsichtig, emphatisch und lösungsorientiert voranzutreiben. „Für mich war und ist immer wichtig zu zeigen, es gibt hier eine Gleichstellungsstelle und der ist es nicht gleichgültig, was hier passiert.“ Präsenz zeigen ist das Gebot der Stunde.