Preisträger des Ideenwettbewerbs zu Nachhaltigkeitsprojekten im Welterbe Oberes Mittelrheintal #bugauni2029
„Der tiefe Rhein trägt jeder Sehnsucht Traum“ (Achim von Armin)
Wir folgen einem beschilderten Pfad, die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings fallen durch das Blätterwerk auf den Waldboden. Der Weg führt uns über kleine Bäche und Brücken, dann weites Feld und schließlich blicken wir durch knorrige Weinreben auf idyllische Ortschaften, Burgen und Schlösschen in das weite Tal des Oberen Mittelrheins. Der Fluss schlängelt sich durch die grüne Landschaft, hier und da klaffen kantige Felswände hervor. Die Wanderlust packte viele auch schon vor der globalen Pandemie. Mit dem neuen Corona-Alltag verstärkte sich der Wunsch nach Bewegung in naturgeprägten Landschaften. Viele Menschen entdecken ihre eigene Region auf einmal also ganz neu. Auch Christian Jeub, Leiter der Universitätsmusik in Koblenz, erkundete Rheinsteig und Rheinburgenweg und stellte sich im Rahmen des Ideenwettbewerbs des Campus Koblenz zu Nachhaltigkeitsprojekten im Welterbe Oberes Mittelrheintal die Frage: Was macht Heimat aus? Was macht diese Region aus? Auf den Spuren Clemens Brentanos und Achim von Arnims, deren Reise von Oestrich-Winkel nach Koblenz als Inspirationsquelle des romantischen Herzstücks dem Knaben Wunderhorn gilt, weht einem der Hauch der Geschichte entgegen. Die märchenhafte Landschaft regte über die Jahrhunderte hinweg viele Künstler:innen zu Gedichten und musikalischen Kompositionen rund um die sagenumwobene Rheinlandschaft an. Aus diesem Füllhorn kulturellen Nachklangs möchte das Projekt schöpfen und wird als Preisträger des Ideenwettbewerbs nun gefördert. Der Musikalische Wanderweg Oberes Mittelrheintal wird als Nachhaltigkeitsprojekt in der Region der BUGA 2029 in die Tat umgesetzt.
„Ein Musiker, der so etwas sieht, wundert sich, dass man das heutzutage nicht hören kann.“
„Wenn man diese Wanderwege geht, ist man viele Stunden unterwegs. Ich dachte mir, dass es eigentlich ein schöner Impuls sein könnte, an den Aussichtspunkten, den Klippen, auch die Musik, die diese Region bewirkt hat, wahrzunehmen. Der Musik also in dem Kontext zu lauschen, in dem sie sozusagen ihren Ursprung gefunden hat“, schildert Christian Jeub. Beim Betrachten der Gedenkinschrift zum Loreley-Lied war die Grundidee des Projektes schließlich geboren. „Ein Musiker, der so etwas sieht, wundert sich, dass man das heutzutage nicht hören kann. Ich stellte mir vor, dass wir Musik einspielen und digital verfügbar machen könnten. Sozusagen als Motivationspunkt auf den langen Wanderungen, aber auch umgekehrt, um die Landschaft musikalisch erfahrbar zu machen.“
Es geht darum, den kulturellen Nachklang der Region in der Landschaftsatmosphäre leiblich erfahrbar zu mache.
Die Grundidee war geboren und soll nun in Kooperation mit dem Institut für Kulturwissenschaft auch technisch umgesetzt werden. Florian Weber, wissenschaftlicher Mitarbeiter im durch das Land Rheinland-Pfalz geförderten Forschungsprojekt „KuLaDig-RLP“ (digitale Erfassung und Repräsentation von Kulturlandschaften) ergänzt: „Unser erster Impuls war es, die Musikstücke über einen QR-Code abrufbar zu machen. Das scheint uns ein zu bewältigender Weg. Die Frage ist, welche Plattform wir nutzen möchten. Das kann KuLaDig sein, das könnte aber auch mehr sein.“ KuLaDig verfügt bereits über eine große Reichweite und erfolgreiche Strukturen. In Teilprojekten werden immer wieder neue Modelle entwickelt, um Kulturlandschaft digital aufzubereiten. Das Projekt Musikalischer Wanderweg Oberes Mittelrheintal kann einerseits auf diese bestehenden Strukturen setzen, möchte aber auch eine dynamischere, unmittelbarere Verbindung zur Zielgruppe aufbauen. „Wir möchten umständliche Zwischenklicks und umfangreiche Texte vermeiden. Bedarfsanalytisch ist zu klären, was sich Wanderer wünschen und wie wir unser Vorhaben bestmöglich umsetzen können. Das leibliche Erleben der Landschaftsatmosphäre im Zusammenspiel mit dem kulturellen Nachklang der Region in Form von musikalischen Stücken oder Gedichten soll im Vordergrund stehen“, führt Florian Weber weiter aus. Die Idee ist, mit einem kürzeren Wanderweg um die Loreley herum zu starten und eine Dichte von Kulturpunkten herzustellen. Das Projekt könnte mit etwa zwölf musikalischen Stationen starten, die dann sukzessive erweitert werden. Ziel ist es, Motivationspunkte des Innehaltens und Nachsinnens zu gestalten. An diesem Vorhaben wird nicht nur universitätsintern im Tandem gearbeitet, Universitätsmusik und Kulturwissenschaft haben sich auch mit regionalen Akteuren zusammengetan. Die Romantische Rheintourismus GmbH hält Wanderwege instand, vermarktet sie und ist sehr daran interessiert, neue Impulse und Ideen umzusetzen.
„Il freddo Rheno“ – Der kalte Rhein
Orlando di Lassos Komposition „Il freddo Rheno“ aus dem Jahre 1555 ist nicht nur ein Zeugnis dessen, dass die Landschaftsatmosphäre des Rheins auch über die Landesgrenzen hinaus große Bewunderung fand. Der Text erzählt von einer strahlenden Göttin an den Ufern des Rheins und erinnert an jene Loreley-Sage, die Heinrich Heine knapp 200 Jahre später in Verse kleidete. Die Komposition „Il freddo Rheno“ stellt eine Idee der musikalischen Umsetzung des Projektes dar. Etwa fünf bis sechs Studierende der Universitätsmusik werden dieses Stück einsingen. „Kleine Vokalensembles, Symphonieorchester, Klavier, Holzblasensemble, Universitätschor in großer Stärke. Ich kann mir da ganz unterschiedliche Ensembles vorstellen“, sagt Christian Jeub. Studierende werden sowohl in der musikalischen als auch der technischen Umsetzung involviert sein. So ist etwa geplant, Kulturwissenschaftler:innen im Rahmen von Kulturmanagementprojekten, Bedarfs- und Zielgruppenanalysen sowie durch Erstellung von Scrollytelling-Seiten und Podcasts miteinzubeziehen. „Wir können uns vorstellen, mit Studierenden eine Art Radiobeitrag zu gestalten, also kurze stationsgebundene Erläuterungen und Kontexte zu den Musikstücken einzusprechen und abrufbar zu machen“, ergänzt Florian Weber. Sobald das Kernkonzept steht, soll das Projekt Musikalischer Wanderweg Oberes Mittelrheintal auch in ein Seminar eingebunden werden und stellt somit ein kreatives Format dar, wie akademische Arbeit ganz praktisch in die Region, aber auch in die universitäre Lehre getragen werden kann. Wer den Musikalischen Wanderweg selbst erleben möchte, muss nicht bis zur Bundesgartenschau 2029 warten. Erste Stationen könnten bereits Ende 2022 zu hören sein.