Digitale Vortragsreihe: „Feminist futures for hard times”

Auch in diesem Semester lädt Ina Kerner, Professorin am Institut für Kulturwissenschaft, mit ihrem Team im Lehrbereich Politische Wissenschaft zu einer digitalen Vortragsreihe ein. Alle interessierten Zuhörer:innen erwarten drei spannende Vorträge mit anschließender Diskussion. Den Anfang machte am 11. Mai Fatima Sadiqi von der University of Fez (Marokko) und der Präsentation ihres Buches Feminist Daughters with Military Fathers: The Forgotten Legacy of Rural Berber Men.

„When I first saw the title of the series Feminist futures for hard times I said: “Oh my god, I am not going to talk about the future I am going to talk about the past.” But maybe it is also a kind of a reflection of the past.”

In ihrem Buch widmet sich Fatima Sadiqi der Geschichte ihres Vaters Mouhamd ou Lahcen, ein in einfachen Verhältnissen aufgewachsener Berber, der sich trotz Analphabetismus eine Existenz aufbaute und in der französischen Armee diente, bevor er sich nach der Unabhängigkeit Marokkos 1956 dem landeseigenen Militär anschloss. Dieser sehr persönliche Bezug schlug sich auch auf die – man könnte fast sagen – familiäre Atmosphäre des Vortrags nieder. In Ergänzung zu den Erinnerungen ihrer eigenen Familie interviewte sie fünfundzwanzig marokkanische Frauen ihrer Generation, deren Väter ebenfalls im Militär dienten und die nun als bedeutende Feminist:innen in unterschiedlichsten Forschungsfeldern arbeiten. In ihrer Analyse deckt die Autorin eine bisher völlig außer Acht gelassene Perspektive auf und richtet die Aufmerksamkeit auf die Rolle der „Military Berber Men“, die ihren Töchtern und somit der zweiten Generation von Feminist:innen in Marokko die Möglichkeit auf Bildung eröffneten und heute dennoch fast vergessen sind. „The Berber Dimension“ wurde sowohl von kolonialen als auch feministischen Betrachtungen bisher schlichtweg ignoriert.

„I like this question, because it was a question I asked myself. “

Auf den zu völlig neuen feministischen Perspektiven und Fragen anregenden Vortrag mit mehr als 40 Teilnehmer:innen folgte eine nicht minder gehaltvolle Diskussion. Etwa die Vorstellung, dass feministische Entwicklung vonseiten des Militärs, einer hierarchisch strukturierten und männlich dominierten Institution Förderung erfuhr, schien den Zuhörer:innen befremdlich. Für Sadiqi, die in Militärbaracken aufwuchs, war diese von Regeln geprägte Welt ein großer Teil ihrer Lebenswirklichkeit. Disziplin habe sie gelernt und das harte Arbeiten für ihre Ziele. Natürlich sei das Militär ein durchweg hierarchisches System und Sadiqi verstehe die Vorbehalte demgegenüber, aber ein wichtiges Charakteristikum ihres Vaters und der Männer seiner Generation und Herkunft sei, dass sie sich die militärische Karriere nicht ausgesucht hatten. Und Fatima Sadiqi fügt hinzu: „Many women like me received their education from our fathers.” Auf die Frage hin, ob es einen Unterschied zwischen ländlichem und städtischem Feminismus gebe, antwortet Sadiqi: „Maybe they do not call it feminism in rural areas, but women in rural areas are much stronger, god they are so strong. And they are fighting the patriarchy in their own way.” In einem 2018 erschienenen Interview beschreibt Sadiqi ihren eigenen Werdegang als „starting from zero“ und verweist auf ihre Berbischen Wurzeln, wodurch sie sich von „urban feminists“ wie Fatima Mernissi (marokkanische Soziologien) unterscheide. Doch gerade der Zugang zu Bildung habe es ihr ermöglicht, intellektuell mit anderen Feminist:innen wie Mernissi in den Dialog zu treten und jene so wichtige Vernetzung verschiedenster Akteur:innen in Sachen Frauenrechte mitzugestalten (vgl. Fatima Sadiqi and Aziza Ouguir (2018): Reflecting on Feminisms in Africa. A Conversation from Morocco. Smith College).

„We have to sit down over coffee you and me and think what feminism means. “

Auf zwei Vorträge im Rahmen der Reihe Feminist futures for hard times dürfen wir uns in diesem Semester noch freuen. Am 15. Juni hat Chiara Bottici von der New School for Social Research (New York) über ihre Überlegungen zu Anarchafeminism gesprochen und einen Einblick in das noch in diesem Jahr erscheinende Buch gewährt. Und um Beyond the Public Sphere: Film and the Feminist Imaginary geht es in der Buchpräsentation von Maria Pía Lara von der Universidad Autonomo Metropolitana Iztapalapa (México) am 29. Juni. Die Vorträge finden jeweils um 18:15h per ZOOM in englischer Sprache statt. Anmelden kann man sich per E-Mail an polwiss-fb2@uni-koblenz.de

Weitere Informationen finden sich auf der Seite des Lehrbereichs Politische Wissenschaft unter https://www.uni-koblenz-landau.de/de/koblenz/fb2/ik/institut/spw/veranstaltungen_politischewissenschaft

 

Fatima Sadiqi ist Professorin für Sprachwissenschaften und Gender Studies an der University of Fez (Marokko) und Autorin zahlreicher Veröffentlichungen, z. B. Women, Gender and Language (Brill 2003), Women and Knowledge in the Mediterranean (Routledge 2013), Moroccan Feminist Discourses (Palgrave Macmillan 2014), und Women’s Movements in the Post-“Arab Spring” North Africa (2016). Für ihre Arbeiten hat sie zahlreiche Auszeichnungen und Fellowships erhalten, unter anderem von der renommierten Universität Harvard, des Woodrow Wilson Center, der Rockefeller Stiftung, Fulbright, und aktuell des Zentrums für interdisziplinäre Forschung ZiF (Universität Bielefeld).